Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Geräusch: das leise Zirpen der Grillen, das leichte Schwanken und Knarren der Äste, das Rascheln der Blätter und … der Schrei, der sich wiederholte! Schlagartig stellten sich die Härchen auf Ondragons Armen auf. Der Laut war von dort unten gekommen und er hatte sich auf schreckliche Weise verzweifelt angehört. Was war das gewesen? Ein Mensch?
Ondragon beugte sich vor, um etwas sehen zu können, doch die Schwärze hinderte ihn daran, auch nur weiter als bis zu seinen Fußspitzen zu blicken. Plötzlich setzte ein lautes Getöse ein. Ein Platschen und Klatschen und wieder der Schrei, diesmal voller Panik. Ondragon war sich jetzt sicher, dass es ein Tier war. Vielleicht ein Hirsch, der um sein Leben rannte … weil sieben Alligatoren hinter ihm her waren?
Ondragon lauschte gebannt. Das rhythmische Platschen, vermutlich die Sprünge des Hirsches, entfernten sich, wurden kurz darauf aber von einem explosionsartigen Geräusch gestoppt. Ein letzter Schrei erklang und dann nur noch tödliches Wasserrauschen, während die stummen Jäger sich um die Beute stritten, sie mit der Todesrolle zerrissen und verschlangen. Ondragon konnte das Reißen der Kiefer hören und das Aufeinanderschlagen von Zähnen. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. So würde er auch enden, in Häppchen.
Er hob den Blick und erschrak.
Direkt vor ihm saß Per und grinste ihn an!
14. Kapitel
In den Bergen nördlich von Nan Margot, Süd-Haiti
Die schlurfenden Schritte kamen näher, und die beiden jungen Männer sprangen auf und drohten der Dunkelheit vor dem Zaun mit ihren Macheten. Christine duckte sich in den Schatten ihrer Mutter und wartete, dass die Priesterin etwas tat. Doch die murmelte nur etwas vor sich hin, das wie eine Beschwörung klang, blieb aber ansonsten wie angewurzelt stehen.
Ein leises, kaum hörbares Stöhnen schwebte in der kühlen Nachtluft zu ihnen herüber.
Christine starrte mit aufgerissenen Augen in die Richtung, aus der der Laut gekommen war. Ist das mein Vater dort draußen? Der Gedanke jagte ihr Angst ein, hauchte ihr ins Gesicht wie kalte Grabesluft. Sie wollte Etienne Dadou nicht noch einmal gegenüberstehen, wollte ihn nicht noch einmal ansehen müssen – nicht so, nicht als Zombie. Mit Schrecken erinnerte sie sich an die Verstümmelungen, die er sich in seiner Rage zugefügt hatte, als er das Gris-Gris aus seinem Mund hatte ziehen wollen. Sie hörte das Knacken seines Kiefers und das unartikulierte Gurgeln aus seiner Kehle, sah das fast schwarze Blut.
Plötzlich rührte sich die Mambo. Sie griff in ihre Tasche, holte etwas heraus, das aussah wie ein Dolch und rief den beiden Männern zu, sie sollten ihr folgen. Dann verschwand sie in der Dunkelheit. Die beiden Gehilfen blickten einander zögernd an.
„ Allez, dare-dare! “, erklang es fordernd aus den Schatten, und schließlich beeilten sich die Männer, der Priesterin hinterherzulaufen.
Zurück blieben Christine und ihre Mutter, die zwar beruhigend auf ihre Tochter einredete, gleichzeitig aber nach der Machete griff, die zu ihren Füßen lag. Christine klammerte sich an ihren Arm. In ihr tobte ein Konflikt. Sie wusste, dass ihre Mutter die Einzige unter ihnen war, die noch immer glaubte, ihr Ehemann könne gerettet werden. Davon waren weder die Mambo noch die beiden Gehilfen überzeugt gewesen. Auch Christine hatte von vornherein geahnt, dass die Mambo ihren Vater würde töten müssen, um ihn vom Fluch zu befreien. Es gab keinen anderen Weg, denn sie hatte ihn gesehen, hatte seine gewaltige Kraft und seinen für alle Zeit zerstörten Geist gespürt. Etienne Dadou war längst verloren.
Der herbe Geschmack von Furcht stieg in Christines Kehle auf. Was, wenn die Mambo nicht mächtig genug war? Nicht stark genug, um den Zombie zu besiegen? Sie warf ihrer Mutter einen verstohlenen Blick zu. Sie musste ihr davon erzählen. Nur wie? Wie konnte sie ihr beibringen, dass Etienne Dadou nichts anderes mehr war als ein brutales, entstelltes Monster? Christine wand sich wie unter Schmerzen.
Geräusche drangen von jenseits des Zauns zu ihnen herüber. Es raschelte und knackte laut im Gestrüpp, und Rufe ertönten, so als hätten die Priesterin und ihre beiden Begleiter die Jagd aufgenommen. Als Bestätigung hallte ein empörtes Jaulen von den Bäumen wider – die Stimme des Zombies. Die Rufe der Jäger wurden erregter. Christine hörte heraus, wie jemand „Vorsicht!“ rief, dann einen entsetzten Schrei. Danach war es wieder still. Obwohl sie am ganzen Leib
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