Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
Priesterin deutete den Kamm entlang nach Norden. Christine wusste, dass sich dort, gut verborgen in einer jenseitigen Senke, das Lager der blancs befand. Niemand war seit dem Beben dort gewesen. Keiner wusste, wie das Gelände jetzt aussah.
Die Mambo schätzte, dass sich nicht nur der Zombie dort aufhielt, sondern auch der Schwarzmagier. Schon seit langem hegte sie die Vermutung, dass die blancs mit einem Bokor zusammenarbeiteten, wahrscheinlich um Neugierige oder auch nur zufällig Vorbeikommende von ihrem Gebiet zu verjagen. Aber auch sie wusste nicht, was die Fremden dort in den Bergen trieben. Das Camp war schwer gesichert mit hohen Elektrozäunen und Kameras.
Die Priesterin setzte sich in Gang und folgte einem kaum erkennbaren Weg unterhalb des Grates. Nur widerstrebend schlossen Christine, ihre Mutter und die beiden Männer zu ihr auf. Alle hofften, dass die Mambo ausreichend Macht besaß, sie vor dem Schwarzmagier und seinem Sklaven zu beschützen.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten sie die baumbestandene Senke mit dem Camp der Weißen. Alles wirkte ruhig. Nichts bewegte sich auf dem umzäunten Gelände. Im Schutz der Sträucher, in denen Christine einst gelegen und die weißen Männer beobachtet hatte, näherte sich die Gruppe vorsichtig dem engmaschigen Stahlzaun, der an die drei Meter hoch und oben von Stacheldraht gekrönt war. Sie sahen sich um, konnten jedoch kein Tor oder Ähnliches entdecken. Wie kam man dort hinein? Und wie gelangten die blancs heraus? Konnten die weißen Männer fliegen wie der böse Eulengeist Marinette-bois-chèche?
Mit wachsendem Unbehagen schlichen sie um das abgeriegelte Geviert und stießen an einer Stelle auf ein Loch, das offensichtlich hineingeschnitten worden war. Die Priesterin bekreuzigte sich und betrat, ohne zu zögern, das Camp. Christine und die anderen warteten, aber kein Alarm ertönte, keine Männer mit Gewehren kamen herbeigelaufen. Es schien, als hätte das Erdbeben die fremden Weißen vertrieben.
Die Mambo winkte ihren Begleitern, die ihr nach einigem Zaudern durch die Bresche im Zaun folgten. Wachsam und eng beieinander bleibend sahen sie sich auf dem Gelände um, das nicht größer als Hundert mal Hundert Schritt war. Unter den hohen Bäumen sammelten sich bereits die kühlen Abendschatten und erschwerten die Sicht.
Die Gruppe entdeckte bei ihrer Suche seltsame Dinge. Mehrere weiße Metallhäuser mit flachem Dach. Einen großen Kreis auf einer Lichtung mit einem H darauf, einen hohen Stahlmast, der umgeknickt war wie ein Strohhalm, ein zusammengeklapptes Häuschen mit einer Maschine darin und einem großen Tank an der Rückseite. Als letztes standen sie vor einem Haufen Trümmer, der einmal ein weißes, vielleicht einstöckiges Gebäude gewesen war. Die Mambo meinte, sich zu erinnern, dass dies einmal der Platz gewesen sei, an dem sich der Eingang zu der Mine befunden habe. Doch offensichtlich hatten die Betonbrocken des zerstörten Hauses den Schacht komplett verschüttet. Wie unten im Dorf hatte das Erdbeben auch hier ganze Arbeit geleistet. Doch eines war seltsam. Anders als in ihrem Dorf, waren hier nirgendwo Menschen zu sehen, nicht einmal ein Toter. Keine Leichen. Wo waren die blancs hin?
Die Mambo schüttelte den Kopf. Für sie war es nicht verwunderlich, denn die Weißen hatten ja die Hilfe eines Schwarzmagiers in Anspruch genommen. Sie waren längst fort. Die Priesterin wies die Gruppe an, die Ausrüstung abzuladen und hier in dem geschützten Geviert ihr Nachtlager aufzuschlagen. Beim Schein eines großen Feuers würden sie dann auf das Auftauchen Etienne Dadous warten.
Begleitet vom Gesang der Zikaden legte sich die Nacht über die fünf Zombiejäger. Sie hatten ein großes Feuer entzündet und saßen dicht beieinander in der schützenden Aura der hellen Flammen. Christine hatte die Hände ihrer Mutter ergriffen und drückte sie in banger Erwartung. Ängstlich zuckte sie bei jedem Geräusch zusammen und sei es nur das Knacken der Scheite im Feuer oder der Schrei einer Eule. Ob Marinette-bois-chèche ihnen dort draußen gemeinsam mit dem Bokor auflauerte? So viele Menschen, dessen Fleisch der bösartige Loa verschlingen konnte, kamen ihm bestimmt zupass.
Schaudernd schmiegte Christine sich näher an ihre Mutter, die beim Klang der Nachtstimmen nicht minder erzitterte. Das Mädchen schaute in die Gesichter ihrer männlichen Begleiter, die sich verkrampft an ihren Macheten festklammerten. Es waren beides junge Männer aus ihrem Dorf,
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