One Night Wonder
dir«, stellt er nüchtern fest.
Ich nicke wieder.
»Ich werde selbst im Sommer nicht braun, das nervt manchmal schon.«
»Finde ich nicht.«
»Trägst du deshalb nur Schwarz?«
»Wie meinst du das?«
»Weil du auf Vampire stehst?«
Ich schaue in seine grünen Augen und weiß nicht, ob ich das für eine Frechheit halten soll oder ob ich auf diesem Ohr nur etwas empfindlich bin.
»Es gibt keine Vampire«, sage ich deshalb nüchtern.
»Es gibt aber sehr wohl Leute, die so aussehen.«
»Ach ja? Und woher willst du wissen, wie ein Vampir aussieht?«
»Ich muss mich da gezwungenermaßen auf Quellen aus Literatur und Fernsehen beziehen.« Er ist nicht auf den Mund gefallen, das finde ich gut, deshalb spiele ich mit.
»Nun, nehmen wir an, ich stehe tatsächlich darauf, was würdest du dann tun?«
»Alles, was du willst«, flüstert er, und um seine Mundwinkel zuckt es verräterisch.
»Du machst dich über mich lustig!«, sage ich mit gespielter Empörung.
»Nicht doch. Ich würde gern mal an deinem Hals knabbern.«
»Blödmann.« Ich schubse ihn ein Stück von mir weg. Er grinst und tänzelt leichtfüßig zu mir zurück.
»Schöne Maid, braucht Ihr Geleit?« Er gibt seiner Stimme einen schnarrenden Unterton und legt mir lässig einen Arm um die Schultern.
»Du verarschst mich immer noch!«, beschwere ich mich, was ihn dazu verleitet, mich lachend auf den Haaransatz zu küssen.
»Ach lass mich doch, Vampirmädchen!«
Ich gebe auf. Hätte ich doch bloß den Mund gehalten. Jetzt hält er mich für ’ne mondsüchtige Träumerin, die auf Fantasywesen steht.
»Gut, dass wir uns nicht früher kennengelernt haben!«, lacht er dann.
»Wieso?«
»Na, was meinst du, wie bescheuert wir nebeneinander ausgesehen hätten. Einer grüne Haare, der andere rote. Wie ’ne Elfe und ein Kobold!«
»Oder zwei Weihnachtswichtel!«
Lachend spazieren wir durch den kleinen Park. Eine Weile sagt niemand etwas, um uns herum ist es nur still und kalt. Ich finde es total schön. Als hätte er meine Gedanken erraten, sagt Jannick: »Ich finde es klasse, auch nur mal schweigend nebeneinander herzugehen.«
»Stimmt«, sage ich. Er zieht mich näher an sich, und wir laufen weiter über die vor Frost knisternden Wege. Ich mag es, dass unsere Körper trotz der dicken Mäntel so nah aneinander sind. Ich stelle mir vor, wie es wäre, ihm nackt so nah zu sein, und in meinem Bauch beginnt es zu kribbeln. Eine halbe Stunde später kommen wir zu einer breiten Straße, hier ist das grüne Fleckchen inmitten der Großstadt zu Ende. Jannick deutet auf die gegenüberliegende Häuserfront.
»Da wohne ich«, sagt er und sieht mich fragend an.
Das ist jetzt der berühmte Punkt der Entscheidung, obwohl ich glaube, er ist sich immer noch sehr sicher, dass ich mitkommen werde. Ich zögere nicht länger und nicke stattdessen wortlos. Jannick nimmt meine Hand und zieht mich über die Straße.
Einen Moment später betreten wir eine geräumige Altbauwohnung, die für einen Schauspielschüler zu groß und zu teuer ist. Ich bewundere den schönen Parkettboden. Der zweite Blick fällt auf die Heizung im Flur, auf der Damenunterwäsche trocknet. Ach du liebe Zeit! Schnell gucke ich weg. Er geht vor und zeigt mir die Zimmer. Die Küche ist hell und ziemlich unordentlich. Asche im Spülbecken, eingetrocknete Joghurtbecher und altes Gemüse auf der Arbeitsfläche. Das Wohnzimmer ist groß, gemütlich, aber genauso unordentlich. Bierflaschen auf dem Boden, übervolle Aschenbecher und überall Zeitschriften. Und auf allen Heizungen der Wohnung hängt Unterwäsche! Sollte er sie selbst tragen, hat er zumindest einen guten Geschmack, stelle ich bei einem zweiten Blick fest. Ich zupfe an einem spitzenumrandeten Unterhemd, das ihm garantiert nicht passt. Wenn er mir jetzt beichtet, dass er seine Freundin mit mir betrügen will, bin ich schneller weg, als er bis drei zählen kann. Auf so was stehe ich gar nicht.
»Schöne Wäsche hast du«, sage ich lauernd.
»Ach herrje«, lacht er, »neenee, das ist nicht meine. Die gehört ’ner Freundin von mir. Die dreht gerade in Köln, und sie kann so lange bei mir wohnen.«
Ich beobachte ihn und will ihn beim Lügen ertappen. Doch die Worte kommen so locker und flüssig über seine Lippen, dass ich zufrieden bin. Außerdem guckt er unbeteiligt mal hier-, mal dorthin, was Lügner nicht tun. Sie halten starren Blickkontakt zu ihrem Gegenüber, um ihren falschen Worten Nachdruck zu verleihen.
Er geht an mir vorbei, und
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