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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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Freundin?«, bohre ich weiter.
    »Quatsch«, sagt er ein kleines bisschen unwillig, »würde ich vor ihren Augen mit ’ner anderen nach draußen verschwinden?«
    Nein, das würde er nicht. Bestimmt nicht. Oder?
    Mir ist das Ganze nicht geheuer. Ich erinnere mich an Dories Warnung. Hatte sie auf diese Sache angespielt? Wir stehen mittlerweile im Treppenhaus, und er bemerkt meinen Unmut im grellen Neonlicht. Er legt mir beide Hände auf die Schultern und zieht mich ein wenig zu sich.
    »Sie ist nicht meine Freundin«, lächelt er.
    »Sie ist eine Kommilitonin von mir. Wenn du das nicht glaubst, geh rein und frag sie. Oder frag die anderen.«
    Ich schüttle den Kopf. »Nein, schon okay.« Ich will ihm glauben. Weil ich mehr Zeit mit ihm verbringen will. Weil er mir zu gut gefällt. Und weil Dorle wahrscheinlich nur irgendwelche Gerüchte aufgeschnappt hat. Es muss doch nicht jeder Kerl automatisch ein Gigolo sein, bloß weil er besonders gut aussieht und nicht auf den Mund gefallen ist. Ich denke einfach nicht mehr daran.
    Draußen ist es bitterkalt. Mein Atem bildet kleine Wölkchen, und Jannick zieht den Reißverschluss seines Parkas bis zur Nase hoch. Ich vergrabe die Hände in den warmen Taschen meines Steppmantels.
    »Lass uns ein bisschen spazieren gehen«, schlägt er vor. »Hier in der Nähe gibt es doch so einen hübschen kleinen Park!«
    »Okay!«
    Er hält mir galant den Arm hin, und ich hake mich ein.
    »Sind deine Eltern auch Schauspieler?«, will ich von ihm wissen.
    »Nee!« Er zieht ein verächtliches Gesicht. »Und die fanden es auch nicht gut, dass ihr einziger Sohn so einen Quatsch studieren wollte.«
    »Wieso?«
    Er seufzt und zieht die Schultern höher. »Mein Vater ist Handwerker. Seine Firma baut Aufzüge. Er hat alles an Energie und Kraft in dieses Unternehmen gesteckt. Ist irgendwie klar, dass er das nicht verkaufen möchte, wenn er mal in Rente geht. Und meine Mutter arbeitet bei ihm im Büro.«
    »Verstehe …«
    »Nein, glaube ich nicht.« Er macht eine kurze Pause, um nach den richtigen Worten zu suchen. »Weißt du, er ist jeden Tag von echten Kerlen umgeben. Männer, die mit Metall arbeiten, die Kabel verschalten und nackte Weiber am Spind hängen haben. In der Firma weiß niemand, was ich wirklich mache, meine Eltern haben nur erzählt, dass ich zum Studieren wegziehe. Wahrscheinlich rechnen sie auch noch damit, dass ich später mal ’nen Mann heiraten könnte.«
    Ich schaue seitlich zu ihm hoch. Sein schöner Mund ist eine schmale Linie.
    »Aber das ist doch eine völlig antiquierte Denkweise!«, versuche ich ihn zu trösten.
    »Ich komme vom Land, da ticken die Uhren noch anders.«
    »Aber du hast dich doch sicher nicht von einem auf den anderen Tag entschieden, dass du Schauspiel studieren willst. Deine Eltern müssen doch schon früher was mitgekriegt haben. Theater-AG oder so?«
    »Das ist etwas anderes. Schule ist weit weg vom richtigen Leben. Da ist es okay, wenn man ’ne Hauptrolle hat. Man geht ja auch noch Fußball spielen und mit den Kumpels trinken. Aber als Berufsausbildung? Das ist schon was anderes, wesentlich Zielgerichteteres.«
    »Hm, okay. Das stimmt.«
    Er streicht mit der Hand über meinen eingehakten Arm. »Es ist gut, dass ich jetzt so weit weg von zu Hause bin.«
    »Wolltest du schon immer auf diese Schule?«
    »Das war mir egal. Berlin wäre auch cool gewesen, aber da wollten sie mich nicht. Ich habe oft vorgesprochen, und irgendjemand hat sich dann erbarmt.« Er lacht und scheint nicht mehr so verbittert zu sein wie zuvor. Im spärlichen Licht der Straßenlaternen ist seine Haut so hell, dass sie fast durchscheinend wirkt. Was gäbe ich für so eine Hautfarbe! Mein schöner Winterteint verwandelt sich nach dreieinhalb verirrten Sonnenstrahlen in einen goldenen Pfirsichton, und ich sehe aus, wie frisch aus Südfrankreich eingeflogen. Schrecklich. Zuerst hilft noch ein heller Puder. Nach einer Woche Sonne bleibt mir nur noch sehnsüchtiges Warten auf den Winter übrig. Aber selbst dann werde ich nicht so elfenbeinfarben wie er.
    »Hast du schon mal einen Vampir gespielt?«, platzt es aus mir heraus.
    »Wie bitte?« Kichernd zieht er mich am Arm über eine leere vierspurige Straße, und schon sind wir im Park angelangt. Die dunkle Erde knistert unter unseren Füßen.
    »Sie müssten dich nicht mal schminken!«, sage ich ernst.
    Er baut sich spielerisch vor mir auf und schaut mich tadelnd an. »Soll das heißen, ich sehe aus wie untot?«
    Ich nicke.
    »Es gefällt

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