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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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ich zu weit weg. Er tanzt wirklich gut, lässig und doch immer im Takt, abgesehen von den Schubsereien. Seine Hose rutscht langsam tiefer. Er zieht sie schwungvoll hoch, ohne dabei sein Bier zu verschütten.
    Ich überlege, wie ich an ihn rankomme. Männer in Gruppen sind schon schwierig, aber gemischte Gruppen sind tödlich. Lästereien sind vorprogrammiert. Also muss ich warten, bis er mal alleine ist. Ich beobachte ihn weiter, doch nichts passiert. Sie kleben weiter alle zusammen wie Kaugummi. Er guckt auch weder rechts noch links.
    Mir ist warm, und ich merke, wie ich Durst bekomme, also organisiere ich mir an der klitzekleinen Bar eine Apfelschorle, die nicht wirklich kalt ist. Auf dem Weg zu meinem Platz treffe ich Bekannte, ein Pärchen, beides Künstler. Er ist unscheinbar wie ein Versicherungsangestellter, sie ist ein Paradiesvogel und sieht so aus, wie man sich eine bildende Künstlerin eben vorstellt: ein wildes Tuch um den Kopf, Pumphosen, dunkelgrün gerahmte Augen und Kette rauchend. Dazu ein paar Kilo Silberschmuck aus allen Teilen der Welt. Er trägt eine dunkle Anzughose, ein schlichtes Oberhemd und hat einen lichter werdenden Haaransatz in Straßenköterblond. Nebeneinander sehen sie unmöglich aus, und das schon seit 15 Jahren. Dorle schlingt einen Arm um mich und reißt mich an sich. In der anderen Hand hält sie eine Zigarette. Ich ertrinke in ihrer lockigen Mähne und ihrem schweren Parfum.
    »Lilly, mein Schatz, lange nicht gesehen! Wie geht es dir?« Dorle ist nicht ihr echter Name, es ist natürlich ein Künstlername. Keine Ahnung, wie sie in echt heißt.
    »Oh, gut geht’s mir. Wie immer, weißt du doch.« Ich lächle verschwörerisch. Bernd, und das ist sein echter Name, schüttle ich nur die Hand. Er ist so introvertiert, wie er aussieht, aber dafür malt er umso genialer. Seine Werke sind wie schwarze Löcher, sie saugen einen in sich hinein, ohne dass man sich wehren kann. Dorle lächelt mich liebevoll an. Sie sieht nicht aus wie vierzig, Bernd dafür umso mehr.
    »Wie geht es deinen Eltern?«, will sie dann wissen.
    »Och, gut«, sage ich und schaue unruhig an ihr vorbei. Die beiden sind zwar nett, aber ich will auf meinen Platz zurück, um ihn weiter zu beobachten. Dorle bemerkt meinen Seitenblick.
    »Liebes, wir sehen uns bestimmt nachher noch mal. Wir wollen noch mit einem Bekannten plaudern.« Sie hakt sich bei dem überraschten Bernd unter und zieht ihn mit sich. Sie ist ein winziges Stück größer als er, das ist mir vorher noch nie aufgefallen.
    »Ja, okay, bis nachher!«, nicke ich erleichtert. Ich jongliere meinen Plastikbecher durch die Menge und bin froh, dass mein Platz noch frei ist. Die Gruppe hat sich nicht bewegt, und ich lasse mich wieder auf dem Hocker nieder.
    Es passiert immer noch nichts, es kommen nur noch mehr Leute hinzu. Ich sehe etwas frustriert zu und überlege, wie ich weiter vorgehen soll. Die Apfelschorle ist jetzt lauwarm, und ich stelle sie angewidert zur Seite. Ein Königreich für einen kreativen Einfall! Vielleicht ist es auch simpler, als ich denke, und ich muss einfach nur an ihm vorbeilaufen.
    Da Probieren über Studieren geht, verlasse ich meinen Hocker erneut und laufe einen großen Bogen entlang der Tanzfläche, bis ich schließlich an ihm vorbeikommen muss. Mein Haarband schiebe ich über mein Handgelenk, und als ich ungefähr auf seiner Höhe bin, schüttle ich meine Haare kräftig mit der Hand durch. Lange Haare sind so praktisch. Ein paar Jungs drehen die Köpfe, auch er ist darunter. Ich schmeiße ihm einen abweisenden Blick vor die Füße und hoffe, dass er anbeißt. Dann sehe ich nicht noch mal zu ihm hin, sondern marschiere zurück zu meinem kleinen einsamen Hocker.
    Kaum sitze ich wieder, da merke ich, wie er immer wieder einen unauffälligen Blick in meine Richtung wirft. Er lacht etwas zu laut, er fährt sich durch die Haare, und mittlerweile hat er mir fast seinen ganzen Körper zugewandt. Körpersprache sagt mehr als tausend Worte, und ich finde ihn wirklich gut.
    Dann macht er plötzlich etwas, das mich überrascht. Er löst sich aus der Gruppe, kommt direkt auf mich zu und bleibt vor mir stehen.
    »Hi«, sagt er mit einer gut ausgebildeten Stimme.
    Ich schaue mit großen Augen zu ihm auf. Für so mutig hätte ich ihn gar nicht gehalten.
    »Jannick«, sagt er, geht vor mir in die Hocke und ist somit auf fast gleicher Höhe wie ich auf meinem Sitzmöbel. Er streckt mir eine kräftige Hand entgegen.
    »Lilly«, bekomme ich nun doch

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