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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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befragen, statt sich an mich zu wenden? Habe ich »Auskunft« auf der Stirn zu stehen?
    Ich ärgere mich ein bisschen, dass sich David so undurchsichtig gibt. Wahrscheinlich kann er mich nicht leiden, weil Marius und ich immer solchen Unsinn machen und es in der WG dann ziemlich laut ist. Vielleicht braucht er seine Ruhe. Und von mir denkt er jetzt, dass ich ’ne durchgeknallte Tussi mit zu viel Freizeit bin, die nebenbei versucht, ihren schwulen besten Freund flachzulegen. Super.
    *
    Am nächsten Morgen sehe ich den Typen vom Bahnhof wieder und dieses Mal kann ich ihn genauer betrachten. Er hat ein ausgeprägt männliches Gesicht, ist zu sehr Typ, um richtig hübsch zu sein. Er gefällt mir. Er geht auf diese schlaksige Art, die großen Männern scheinbar angeboren ist. Er wirft mir einen Seitenblick zu, der weder warm noch kalt ist, dann platziert er sich unweit von mir auf dem Bahnsteig. Als der Zug einfährt, ändert er die Taktik, falls er überhaupt eine hat: Er stellt sich mir gegenüber in die Schlange an der anderen Tür an. Ich sehe durch das Meer von Köpfen zu ihm hinüber. Kein Lächeln, nicht mal ein Zucken um die Mundwinkel. Okay, entweder ist er ein Psychopath, oder er macht auf obercool oder er … ach, keine Ahnung!
    Ich sitze etwas ratlos im Zug und weiß nicht, wohin er verschwunden ist.
    *
    Als ich nachmittags zurückfahre, sehe ich ihn hinter einem Fenster des einfahrenden Zuges. Ich steige ein Abteil weiter hinten ein. Dann gehe ich den Gang entlang an ihm vorbei. Ich spüre seine Blicke im Rücken und sonstwo. Etwas weiter vorn setze ich mich. Als wir unseren Zielbahnhof erreicht haben, warte ich noch einen Moment. Er geht an mir vorbei, dann erst stehe ich auf. Er steht weiter hinten an den Türen. Ich stelle mich vor ihn. Den Platz vor sich hat er sicher nicht unabsichtlich gelassen. Der Zug fährt in den Bahnhof ein. Er macht einen Schritt nach vorn und ist jetzt ganz nah hinter mir, ich kann ein bisschen seine Wärme spüren.
    Der Zug hält, die Türen gehen auf. Die Leute strömen heraus, wir werden nach vorne gedrängt. Einmal drückt er sich kurz von hinten im Gewühl an mich, dann bin ich an der Tür und aus dem Zug raus. Ich gehe ein paar Schritte und drehe mich dann um. Nichts, er ist weg. Dann sehe ich ihn ein paar Meter weiter neben mir. Mit gehetztem Schritt und gesenktem Kopf. Ich verlangsame mein Tempo. So hat das ja keinen Sinn. Dann geht er plötzlich wieder etwas entspannter. Unsere Wege führen uns über die Treppe in der Haupthalle wieder zusammen. Ein etwas längerer Blick zu mir herunter, ich glaube irgendwie, das wird nichts mit uns.
    Bei solch einem Hin und Her verliere ich leicht das Interesse. So ist das bei mir. Unten bleibe ich demonstrativ an einem Schaufenster stehen. Er geht weiter. Hmpf! Ich verstehe ihn nicht. Entweder er ist null interessiert, oder er kriegt es einfach nicht hin, sich natürlich zu geben.

8. Kapitel
Kakao, Pizza und noch mehr Verwirrung
    Zu Hause angekommen, bin ich immer noch ein wenig frustriert. Doch das ändert sich schlagartig, als ich mich bei MySpace einlogge und sehe, dass David mir eine Nachricht geschrieben hat.
    »Lust auf eine Lesung?« Mehr nicht. Kein »Hallo«, kein »Wie geht’s«, kein »viele Grüße«.
    Ich überlege nicht, ich tippe ein lapidares »Ja« darunter und klicke auf Senden. Erst dann fällt mir ein, dass ich heute arbeiten muss. Ich rufe leicht panisch im Laden an und frage Gundis, wer die Nachmittagsschicht mit mir hat und wen ich darum bitten könnte, für mich einzuspringen. Gundis meint, ich solle es mal bei Sina probieren. Und ich habe Glück! Ich erreiche Sina, und wir tauschen unsere Schichten. Sie arbeitet heute für mich, ich morgen für sie. Dann muss ich zwar ein Seminar ausfallen lassen, aber dort habe ich bis jetzt noch nicht gefehlt, deshalb geht das klar.
    Eine Stunde später kommt dann die Antwort von David. Wir wollen uns heute Abend um 19 Uhr vor einer großen Buchhandlung in der Innenstadt treffen, ein angesagter Pop-Literat gibt sein neuestes Werk zum Besten. Sonderlich begeistert bin ich nicht davon. Habe mich aus mehr oder weniger intellektuellem Gruppenzwang durch sein Erstlingswerk gequält und fand es wenig originell. Nun also Teil zwei.
    Doch der Gedanke, mich mit dem seltsamen David zu treffen, reizt mich.
    *
    Ich bin kurz vor 19 Uhr vor besagtem Laden und habe ausnahmsweise hohe Schuhe an. Er ist schon da und trotzdem noch ein gutes Stück größer als ich. Sein schnoddriger

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