One Night Wonder
einer vermutlich lockigen Haarpracht kringeln, wofür die Haare allerdings zu kurz sind. So etwas findet man bei Dunkelblonden ja eher selten. Sein Styling ist schon mal ganz cool, zumindest von hinten gesehen: Lederjacke, abgetragene Jeans, ’nen halben Zentimeter zu tief sitzend, Retro-Sneakers. MP3-Player mit – Achtung! – Kopfhörern. Diese Dinger, die die DJ’s immer um den Kopf gewickelt haben. Der Zug fährt ein. Wir stellen uns seitlich an den Türen auf.
Ob er mich gesehen hat?
Keine Ahnung. Er würdigt mich keines Blickes.
*
Abends bin ich wieder bei Marius, und dieses Mal ist David auch da. Ich habe morgen frei, weil eine Veranstaltung ausfällt und Jule und ich beschlossen haben, uns die andere Vorlesung zu schenken. Marius hat in seiner ganzen Verrücktheit Plätzchenteig gemacht, und gemeinsam stechen wir Sterne, Herzen und Tannenbäume für die ersten Weihnachtskekse aus.
David versucht krampfhaft, das krümelige Spektakel in der Küche zu übersehen, während er sich eine grünrote Paste auf schrecklich gesund aussehendes Körnerbrot schmiert. Wenigstens hat er mich heute gegrüßt. Ich gucke auf den Ansatz seines kleinen knackigen Hinterns, als er sich vor dem Kühlschrank bückt, und steche einen Weihnachtsbaum halb auf dem Teig, halb auf der Tischplatte aus, weil ich das ausgerollte Teigstück verfehle. Marius scheint es zum Glück nicht bemerkt zu haben. Als wir nach zwanzig Minuten Backzeit die ersten Exemplare aus dem Ofen holen, bin ich richtig stolz auf uns. Marius kramt nach Dekozeugs und rührt Zuckerguss an, den ich mit Speisefarbe bunt färben darf. Es dauert nicht lange, und ich bestreiche seine Hand mit Zuckercreme und schmeiße ein paar Streusel darüber.
Der Rest ist quasi vorprogrammiert: Wir kichern und lachen ziemlich laut, sauen die ganze Theke ein, und David knallt mal wieder seine Tür zu. Den Rest des Teigs essen wir roh und trinken noch ein Glas Prosecco dazu. Ich habe grünen Zuckerguss in meinen Haaren und Liebesperlen im Pulli, Marius’ nackte Arme sind über und über mit zuckriger Creme bedeckt. Na ja, zumindest ein Blech Plätzchen ist dabei herausgekommen. Mir ist allerdings von dem rohen Teig zu schlecht, um sie zu probieren.
»Wir müssen duschen«, sage ich pragmatisch.
»Au ja, zusammen!«, sagt er und springt auf.
»Nein, Häschen, ganz bestimmt nicht.« – Was soll denn David dann bitte von mir denken?
»Wieso nicht? Ich weiß, wie nackte Frauen aussehen!« Ach, wirklich?
»Hm.«
»Stell dich nicht so an, los, komm mit!« Marius zieht mich ins Badezimmer. »Schau her, ich schließe auch ab!« Mit diesen Worten dreht er den Schlüssel im Schloss herum.
»Wie wäre es, wenn du erst duschst, und ich gucke zu, und dann dusche ich?«, frage ich beim Blick auf die winzige Duschwanne.
»Dann dusch halt allein«, sagt Marius ganz beleidigt, macht die Tür wieder auf und verschwindet mit dramatischer Geste. Seufzend schließe ich ab und sehe zu, schnell fertig zu werden.
Auf dem Bett im Schlafzimmer finde ich ein frisches T-Shirt für mich. Wenig später ist auch Marius wieder entklebt, aber er guckt immer noch ein wenig pampig.
»Das war nicht so gemeint, Häschen«, sage ich.
»Wenn du meinst.« Er lässt sich neben mir auf dem Bett nieder und druckst so komisch herum. »Du …«, beginnt er möglichst beiläufig. Den Tonfall kenn ich, jetzt will er was.
»Wie läuft’s denn so mit der Männerwelt?«
»Och, gut«, sage ich und überlege, was er eigentlich wissen will. Ob er das mit David gemerkt hat? Obwohl, dann müsste er Gedanken lesen können, und das wäre mir doch sehr unheimlich.
»Aber immer nur einmal mit dem jeweiligen Auserwählten, ja?«, fragt er.
»Ja.«
»Also, wenn es nur einmal wär, würde ich … wenn du würdest …«, er hört auf und sieht mich mit großen Kinderaugen an.
»Lass den Quatsch«, sage ich und kneife in seinen harten Bauch.
»Das ist kein Quatsch!«
»Häschen, du stehst auf Kerle, ich bin mir da ziemlich sicher.«
Er guckt schon wieder beleidigt. »Gut, dass du das weißt!«
»Dann solltest du mal mit ’nem Mann schlafen!«, vollende ich meine Bemerkung. Er hat die Arme unwillig vor der Brust verschränkt.
»Wenn ich noch mal mit ’ner Frau schlafen würde, könnte ich doch leicht feststellen, ob es mich noch anmacht oder nicht.«
»Ja, aber du musst mit einer schlafen, die du scharf findest!«
»Ja klar!«, antwortet er und guckt, als gäbe es jetzt nichts mehr zu besprechen.
»Ach, Marius«,
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