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One Night Wonder

One Night Wonder

Titel: One Night Wonder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Licht
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grad viel los hier«, mäkele ich und drehe mich einmal um mich selbst, um mir einen Überblick zu verschaffen. Der Raum ist viel zu groß für die knapp achtzig Besucher.
    »Und das sagt jemand mit Platzangst«, meint Jule, ohne die Augen von der Bühne zu nehmen. Schachmatt.
    »Ist ja gut …«, raune ich. »Noch was zu trinken?«
    »Nein, das geht jetzt nicht. Die fangen doch gleich an!« Sie wirft mir einen vorwurfsvollen Seitenblick zu.
    »Bin ja gleich wieder da.« Als ich mit meinem zweiten Sekt auf Eis zurückkomme, ist Schatz’ Band schon zugange. Jule singt lautstark und völlig schief mit. Ich versuche neben ihr, den Sänger trotzdem noch einigermaßen akustisch mitzukriegen, und muss feststellen, dass die Jungs nicht schlecht sind. Die Songs sind rockig genug zum Abfeiern, und der Sänger hat eine klare Stimme mit hohem Wiedererkennungswert. Auf der Bühne scheinen sie ein eingespieltes Team zu sein. Sie machen allerlei Blödsinn und Akrobatik, und das Publikum geht voll auf sie ab.
    »Tobiiiiiiaaaaas!«, kreischt Jule neben mir. Schatz zwinkert rockstarmäßig von der Bühne herunter, und sie kichert. Mir wird es nun doch zu voll um mich herum. Die Leute sind alle näher gerückt, als sie gecheckt haben, dass diese Band wohl nicht ganz so schlecht ist wie die vorangegangenen. Ich stupse Jule in die Seite und deute mit dem Kopf Richtung Ausgang, wo es leerer ist.
    »Alles klar, Süße.« Sie weiß natürlich, was los ist. Ich bewege mich aus dem Pulk heraus. Von weiter hinten sieht man allerdings wegen des Kunstnebels fast gar nichts. Ich entscheide mich dann doch für einen Platz relativ weit vorn, aber so seitlich, dass dort fast nichts los ist.
    Schatz’ Band erntet für ihr Set schallenden Applaus und einige Zugaberufe. Dann kommt Jule auf mich zugeschossen.
    »Los, wir gehen backstage!« Bevor ich Piep sagen kann, hat sie meine Hand genommen und mich zu einer Tür hinter einem Vorhang gezerrt. Der Backstagebereich ist mit Couchen gepflastert und ziemlich verqualmt. In einer Ecke ist ein Buffet aufgebaut, das schon ziemlich abgegrast aussieht. Jule setzt sich händchenhaltend mit Schatz auf die Couch, und ich sehe mich ein bisschen um.
    Der Typ, der mir bereits on stage aufgefallen ist, sitzt auf einer wackligen Couchlehne und labert wild gestikulierend auf einen Rastaman ein, der im Dreisekundentakt nickt. Er trägt hautenge Röhrenjeans, viele Ketten, und die langen braunen Haare fallen wild über seine Schultern. Am Kragen des abgewetzten Shirts steckt eine Pornobrille. Er sieht gut aus, und auf der Bühne ist er mit seiner Gitarre ziemlich ausgeflippt. Leider ist der Rest seiner Kapelle eine Zumutung. Gerade zündet er sich lässig eine Zigarette an, die er am äußersten Rand seiner Unterlippe balanciert. Ich lege interessiert den Kopf schief. Er dreht sich just in diesem Moment in meine Richtung, mustert mich frech von oben bis unten und zwinkert mir dann zu. Ich verziehe keine Miene und gucke weg. Zwinkern ist nicht sexy. Als ich ein paar Minuten später einen Blick aufs Buffet riskiere, ist er plötzlich hinter mir.
    »Da ist wohl nicht mehr viel zu holen.« Seine Stimme ist samtig und melodisch, und ich frage mich, wieso er in seiner Band nicht singt. Ich zucke die Schultern, ohne mich umzudrehen.
    »Jonny«, sagt er, stellt sich neben mich und hält mir die Hand hin.
    Na, ob das mal sein Taufname ist? »Lilly.«
    »Hübsch, hübsch.«
    »Danke.«
    Er sieht aus wie ein frischer Ableger der Stones, und ich glaube, ich finde ihn cool, trotz des Zwinkerns. Er schmeißt sich seine Haarpracht über die Schultern und schaut mir etwas zu lange in die Augen.
    »Und was treibt dich so hierher?«, fragt er und setzt ein müdes Lächeln auf. Wie alt er wohl sein mag? Ich könnte wetten, er ist um einiges jünger als ich.
    »Der Freund meiner Freundin ist Bassist bei einer der Bands.«
    Er nickt vielsagend.
    »Die zuletzt gespielt hat?«
    Jetzt nicke ich.
    »Die gewinnen. Sie waren die Besten heute Abend.« Nach so viel Großmut sieht er gar nicht aus. Er organisiert sich ein Bier aus dem Kühlschrank, der neben dem Buffettisch steht, und fragt mich nicht, ob ich auch etwas trinken will. Ich vermerke den Fauxpas auf meiner Für-und-Wider-Liste.
    »Wollen wir uns ein ruhigeres Plätzchen suchen?«, schlägt er vor.
    »Klar doch.« Besser als mit Jule und Schatz auf der Couch. Er geht voraus, ich laufe hinterher. In einer etwas schummrigeren Ecke lässt er sich auf einen fleckigen Zweisitzer plumpsen.

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