One Night Wonder
meinen Weihnachtsbaum nur mit Süßigkeiten voll.
»Willst du was haben?«, fragt mein Begleiter.
»Weiß noch nicht. Und du?«
Er überlegt deutlich erkennbar und lässt seinen Blick über die Auslage schweifen. »Ich nehm so ’ne riesige Waffel da.«
»Och, ich glaube, ich auch.«
Er will sein Portemonnaie zücken. Ich bremse ihn, indem ich seinen Arm festhalte.
»Nicht, ich lade dich ein.«
»Aber …«, will er erwidern. Er ist manchmal so altmodisch.
»Nix aber. Ich bin dran.«
Ich bestelle bei der gestressten Verkäuferin zwei von den Waffeln und reiche ihr das Geld rüber.
»Danke«, sagt er wohlerzogen und guckt verlegen.
»Gerne.«
Er beißt in seine Waffel, und schon ist die Hälfte fast weg. Männer! Ich probiere und bin entzückt. Ganz frisch und schrecklich lecker. Es sollte öfter im Jahr Weihnachten sein!
Wir spazieren kauend weiter. Ich kann mich natürlich nicht beherrschen und muss bei den vielen Kramständen gucken. Kerzen in allen Farben und zu unmöglichen Preisen. Stofftiere, Kinderspielzeug und jede Menge Dekozeugs. David hat seine Waffel schon aufgegessen. Am besten finde ich die Schmuckstände. Bunte Steine und Edelmetall ziehen mich magisch an, und ich muss mich zusammenreißen, um David nicht zu langweilen. Er sagt zwar kein Wort, aber er schaut die Sachen nur desinteressiert durch.
Ich sage mir, dass ich auch noch mal mit Debo nach dem Arbeiten gucken kann, und gehe weiter. David muss immer den Kopf einziehen, um nicht gegen tief hängende Dekorationen zu laufen. An jeder Ecke gibt es die obligatorischen Glühweinstände. Schlagermusik schallt aus den Boxen, und die Männergrüppchen renken sich die Hälse nach den vorbeispazierenden Frauen aus. Ich mag das gepanschte Zeug eh nicht.
Der Duft von Zuckerwatte lockt mich zu einem kleinen runden Stand. Ich stopfe den Rest der Waffel in meinen Mund und ziehe David hinter mir her. Große Töpfe mit bunt gefärbtem Zucker stehen hier aneinandergereiht.
»Sieht das lecker aus«, sage ich zu mir selbst.
»Welche Sorte willst du?«, fragt er neben mir. Ich kann mich unmöglich entscheiden, circa dreißig Sorten zur Auswahl sind einfach zu viel!
»Einmal Cola, bitte!«, bestellt David bei dem Herrn der Zuckerwatte, der ebenfalls klein und rund ist. Nachdem er kassiert hat, schmeißt er schwungvoll eine Kelle braun gefärbten Zuckers in die kleine Öffnung und greift nach einem Holzstäbchen.
»Und du?«, fragt David.
»Hm.«
»Na komm, welche Sorte?« Ich mache die Augen zu und tippe wahllos gegen die leicht blinde Plastikfront des Standes.
»Das wäre dann Pfirsich.«
Ich mache die Augen wieder auf und nicke: »Okay!«
David schüttelt den Kopf, der Verkäufer grinst unter seinem Schnurrbart hervor und entblößt eine Reihe gelber Zähne. David und ich zucken gleichermaßen zusammen. Ich gucke schnell auf den Boden, David hat schon wieder bezahlt. Seine Zuckerwatte ist fast fertig, und ich schaue gierig auf das zarte Gespinst, das er gereicht bekommt. Er probiert nicht, er hält sie mir hin. Ich zupfe einen kleinen Bausch ab und lasse ihn auf der Zunge zergehen.
»Köstlich«, seufze ich. Davids Blick klebt an meinem Mund. Dann schluckt er und guckt entschlossen dem Verkäufer beim Kreieren meiner Portion zu.
»Du musst auch probieren!«, sage ich. Er macht es nicht so elegant wie ich, er beißt mittenrein. Zuckerwatte klebt an seiner Nase.
»Ferkel!«, lache ich. Er zuckt die Schultern und grinst wie ein Honigkuchenpferd. Endlich reicht mir der Verkäufer meinen Zuckerflausch rüber. Eine Pfirsichwolke umhüllt mich. Ich atme tief ein und probiere das Kunstwerk. Sehr gut! Wir lassen den Zuckerpavillon hinter uns und reihen uns in den Besucherstrom ein. Ich liebe dieses bunte Lichtermeer, nur die nervige Musik könnte man sich sparen. David klaut sich eine Portion von mir und kaut angestrengt darauf herum.
»Nicht übel«, mampft er.
»Du hast Zuckerwatte auf der Nase.«
Er guckt zu mir herüber. »Wie lange schon?«
»Och, seit vorhin.«
Als Antwort klebt er mir was von dem Zuckerzeug an die Wange. Ich kichere und versuche, mich zu ducken, doch keine Chance. Schon zupft er die nächste Portion ab. Ich rupfe mir das klebrige Zeug von der Wange und esse es schnell auf, bevor es zu einer zweiten Attacke kommt.
»Nein!«, quietsche ich und versuche ihn zu bremsen. Wir knallen aneinander, sein Gesicht ist plötzlich sehr nah an meinem. Er hält mir die zweite Portion vor den Mund. Meine Lippen streifen seine Finger, als
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