One Night Wonder
Teelichter aus und krieche unter meine Decke. Schlauerweise habe ich zwei Oberbetten. Eine geteilte Decke bedeutet mein persönliches Martyrium und vermutlich auch das meines Mitschläfers. Ich zerre unwillkürlich so lange daran herum, bis ich mich eingerollt habe und mein Mitschläfer gänzlich deckenlos daliegt. Ob David schon schläft? Er rührt sich gar nicht.
»Nacht«, flüstere ich.
»Nacht«, brummt es zurück.
Ich liege so herum und weiß, dass ich noch nicht schlafen kann. Die Berg-und-Tal-Fahrt in meinem Bauch trägt auch nicht unbedingt dazu bei. Männer können immer schlafen! Auf Technopartys auf ’nem Barhocker, neben röhrenden Staubsaugern oder nach einem opulenten Sieben-Gänge-Menü. Mein Magen gibt die abenteuerlichsten Geräusche von sich. Er grummelt nicht nur, es quietscht regelrecht. Mir ist es megapeinlich, und ich hoffe, David schläft schon. Zuerst fällt mir sein Gewackel auf, dann höre ich unterdrückte Laute.
Na warte.
»Ich hab’s schon gemerkt, Blödmann«, sage ich in die Dunkelheit.
Dann lacht er laut los. »Meine Güte, hast du ’ne alte Waschmaschine da drin, oder was?«
Ich haue nach ihm ins Dunkel und treffe seine Brust. Es knallt dumpf, aber es stoppt ihn nicht.
»Hör schon auf!« Mein Magen gluckert schon wieder. Ich sollte Bewegungen vermeiden.
»Schon mal über ’nen Schalldämpfer nachgedacht?«, stichelt er weiter.
Ich will ihn wieder boxen, doch er fängt meine Hand auf.
»Hey, wieso siehst du was? Bist du nicht blind ohne Brille?« So, jetzt soll er sich mal ärgern.
»Unverschämtheit«, flüstert er und lässt meine Hand nicht los. Ich ziehe sie aber auch nicht weg. Er verknotet seine Finger mit meinen und lässt unsere Hände langsam auf seinen Bauch sinken, der übrigens keinerlei Geräusche von sich gibt.
Dann streichelt er mit dem Daumen über meinen, und wieder lasse ich ihn machen, weil ich mich nicht rühren will.
»Ach, Lilly«, sagt er leise.
Ich ziehe es vor, nicht darauf zu antworten.
»Wie kommt man bloß auf solche komischen Ideen?«
Ich antworte wieder nicht, dafür gluckert mein Magen. Er lacht leise in die Dunkelheit, und mir ist es schon wieder peinlich.
»Hör endlich auf zu lachen!«, zische ich. Er hört natürlich nicht auf, er macht es nur lautlos. Ich will meine Hand wegziehen, doch er lässt mich nicht los.
»Jetzt sei mal nicht beleidigt.«
»Bin ich nicht.«
»Doch.«
Ich seufze und überlasse ihm meine Hand. Irgendwann ist er neben mir eingeschlafen, und ich liege immer noch wach. Ich höre ihn ruhig und regelmäßig neben mir atmen. Draußen hat es aufgehört zu schneien, und der Himmel ist jetzt sternenklar. Das helle Licht des Mondes fällt durch meine Jalousien und erhellt schwach den Raum. Ich drehe den Kopf zu David. Er sieht gut aus, auch ohne die obligatorische Brille. Warum muss alles so kompliziert sein, wenn es doch auch einfach geht? Und warum macht man dann selber immer alles noch schlimmer?
*
Am nächsten Morgen werde ich durch die tief stehende Wintersonne geweckt. David, der Meister des Verschwindens, hat sich schon wieder vom Acker gemacht, diesmal sogar ohne weitere Nachrichten. Ich habe trotzdem gute Laune: Diese Woche gibt es Weihnachtsferien! Juhu!
Für heute Abend habe ich Jule versprochen, zu so einem Event von Tobias mitzukommen. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es eine Art Band-Contest. Besondere Lust habe ich nicht, aber ich mache es Jule zuliebe. Sie ist übrigens der Meinung, ich solle Lukas David vorziehen. Aber sie ist für alle Musiker der Welt parteiisch, bloß weil Schatz Bass spielt. Außerdem mag sie hellblonde Männer nicht leiden, sie ist der Meinung, denen fehle ein männliches Attribut. Ich hingegen finde Davids Haarfarbe total hübsch.
*
Am Abend dann scheint besagte Veranstaltung nicht besonders aufregend zu werden, und der Club ist nur halb voll. Mir ist nach Gähnen zumute. Im Übrigen ist der Sound eine Zumutung. Als Nächstes soll Schatz’ Band auf die Bühne, Jule ist hibbelig wie ein Teenager.
»Was meinst du, gewinnen sie?«, fragt sie mich. Sie hat mir mal Musik von ihm per E-Mail geschickt, die ich mir gar nicht so genau angehört habe.
»Ich denke, sie haben eine gute Chance«, gebe ich diplomatisch von mir, und Jule lächelt euphorisiert. Schatz begibt sich soeben betont lässig on stage und beginnt, seinen Bass zu stimmen. Jule gibt einen entzückten Seufzer von sich. Ich hätte nie geahnt, dass sie so viel Fanpotenzial besitzt.
»Ist ja nicht
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