Oneiros: Tödlicher Fluch
dünnen Wäscheleinen würde es keinen Schutz vor der afrikanischen Sonne geben.
Die Minuten verstrichen. Es wurde halb eins, dann ein Uhr.
Die Bewohner des Viertels stellten die Party ein. Aus der Altstadt hallten die Klänge eines Touristenspektakels zu ihm. Scheinwerfer strahlten in den Himmel, eine Lasershow malte Bilder in Rot und Grün in aufsteigenden Kunstnebel.
Kurz nach halb zwei erklang das Brummen von Motoren. Alte, schwarze Mercedeslimousinen erschienen unten auf der Straße. Die Modelle stammten aus den Siebzigern und lagen sehr tief in der Federung.
Gepanzert?
Vor Boulers Geschäft hielten sie an.
Jetzt richtete sich Konstantin auf, ohne seine Deckung zu verlassen.
Ah, ist das der Chef?
Die Wagentüren öffneten sich, nicht weniger als acht Leibwächter schoben sich ins Freie, während die Fahrer sitzen blieben. Die Männer trugen Foqias mit Sakkos darüber. Damit sich ihre Pistolen besser verbergen ließen, wie Konstantin vermutete.
Er hatte keine Waffen dabei, das wäre schon wegen des Flugs nicht gegangen. Selbst zu seinen Attentäterzeiten hatte er höchstens ein Messer mit sich geführt, was daran lag, dass er ein miserabler Schütze war.
Einer der Bodyguards klopfte auf das Dach der mittleren Limousine. Ein älterer Mann stemmte sich heraus, den Konstantin auf um die sechzig schätzte.
Ist das Bouler?
Da kam Rabih aus dem Haus gelaufen, gekleidet in einen Morgenmantel und mit verwuschelten, langen schwarzsilbernen Haaren, die ihn wie einen verwegenen Abenteurer wirken ließen. »Monsieur Bouler!«, rief er aufgeregt und winkte. »Sie sind ja schon da? Was ist denn los? Wieso haben Sie nichts gesagt, ich hätte …«
»Du hast mich verraten. Hast mich bestohlen. Nach so vielen Jahren.« Bouler schnippte mit dem Finger und zeigte auf seinen Kompagnon. Einer der Leibwächter griff unter das Sakko und zog eine Micro-Uzi mit Schalldämpfer, der verdickte Lauf richtete sich auf den verschlafenen Hammam-Zubehörverkäufer.
Rabih klappte der Mund auf. »Aber Monsieur! Monsieur, ich …«
Zwipp, zwipp, zwipp, zwipp,
machte es. Und nochmals
zwipp.
Vor der Mündung war kein verräterischer Blitz zu sehen, aber das leise Klirren der Hülsen auf dem Asphalt hallte durch die Stille der Nacht.
Unter Rabihs Kinn erschienen rote Spritzer. Er sah an sich hinab, auf die Löcher in seinem Morgenmantel und die Blutflecken, die sich rasch vergrößerten. Fast im selben Moment fiel er nach vorne, der rechte Arm zuckte kurz, als wollte er sich abfangen, dann stürzte er auf die Straße.
Konstantin verfolgte die Vorgänge gebannt. Was ging da vor?
»Bringt ihn ins Haus und erledigt seine Familie. Beeilt euch. Wir haben nicht viel Zeit«, wies Bouler seine Männer an. »Interpol war dicht an uns dran.«
Zwei Bodyguards gingen los und schleiften die Leiche zurück in das Hammam-Zubehörgeschäft und verschwanden, drei weitere folgten ihnen.
Interpol?
Es war klar, dass es ungemütlich für Rabihs Familie wurde. Mehr als das.
Scheiße, und ich kann nichts tun.
Konstantin fragte sich, warum Bouler gleich die ganze Familie ermordete.
Hat er Angst, dass seine Geheimnisse verraten werden?
Bouler ging unterdessen zu seinem Laden und verschwand darin. Zwei seiner Leute blieben draußen an der Tür und sicherten ihn, der letzte begleitete ihn hinein.
Das Licht im Geschäft ging an. Glas und Porzellan gingen zu Bruch, es krachte laut, gefolgt von Poltern und Rumpeln. Durch die offene Tür sah Konstantin Bouler, der die Kassetten aus dem Tresor genommen hatte, sie aufklappte und mit genauem Blick ihren Inhalt prüfte.
Nicht das Holzkistchen! Nicht das Holzkistchen!
Konstantin presste die Hände zusammen.
Lass es da, was immer du sonst auch vorhast. Bitte, ich brauche es!
Doch die hölzerne Schatulle verschwand ebenso in der Tasche, dann ging Bouler auf den Ausgang zu und rief Anweisungen durch den Laden.
Feuerschein flackerte Sekunden später auf. Der Leibwächter hatte einen Brand gelegt, Kunstschätze und Sammlerstücke wurden rücksichtslos den Flammen ausgesetzt.
Vor der Tür drehte der rechte der Bodyguards den Kopf plötzlich nach links, zog dabei eine schallgedämpfte Pistole und schoss ohne Vorwarnung scheinbar sinnlos in die Schatten. Sein Begleiter sprach in sein Headset und riss die Micro-Uzi ebenfalls in den Anschlag.
Auf das
Zwipp
aus dem Lauf des Leibwächters folgte beinahe unmittelbar ein krachendes BAMM , BAMM , BAMM , BAMM .
An der gegenüberliegenden Ecke des Geschäfts wurden lange
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