Oneiros: Tödlicher Fluch
Internetforen nach abstrusen Spontan- und Fremdheilungen durchforsten müssen. Ihm war bewusst, dass sein Plan dünn war, aber einen besseren hatte er leider nicht.
Ebenso wenig wusste er, wie er sich und sein Anliegen diesen Ärzten vorstellen sollte. Er sah sich in eine Praxis gehen und sagen: »Guten Tag, mein Name ist Korff, und ich wollte wissen, ob Sie den Gevatter am Bett eines Patienten stehen ehen? Ja? Ehrlich? Prima! Ich hätte da ein paar Fragen an ihn. Wären Sie so nett und übersetzten?«
Was tue ich denn hier?
Er blickte niedergeschlagen auf die Notizen und das Märchenbuch.
Normale Menschen werden mich auslachen, es für einen Scherz halten. Wie Iva.
Der Gedanke an sie war schmerzhaft. Ihre Botschaft trug er mit sich, ungelesen, unbeantwortet. Die ganzen letzten Tage.
Konstantin las ihren Brief aus Angst nicht. Aus Angst, es könnte etwas darin stehen, was seine Hoffnungen unwiderruflich zerstörte. Lapidare Sätze wie »Es ist aus«, oder »Es war schön«, oder »Verpiss dich, du Verrückter!«
Vielleicht schickt sie mir auch Psychiater-Adressen?
Konstantin musste auflachen. Es war ungewiss, wie sie nach seinem seltsamen Abgang zu ihm stand. Umso mehr wollte er die Hoffnung auf ein gutes Ende nicht aufgeben. Deswegen suchte er nach einer Möglichkeit, seinem Fluch zu entkommen.
Ich kümmere mich lieber wieder um Bouler und Arctander. Die sind wenigstens real.
Er aß seinen Teller leer, die Säure der Orangen prickelte leicht in seinem Mund. Frisch schmeckten sie einfach herrlich.
Konstantin gönnte sich anschließend zwei Mokkas und warf noch eine Extrapille Guarana hinterher, um sich anhaltend zu dopen, und kehrte nicht in der besten Stimmung in sein Hotel zurück, wo er die Unterlagen deponierte.
Danach ging er zu Fuß zurück in die
Avenue Palestine,
um einen guten Observationsstandort zu finden und von dort aus das Geschäft zu belauern.
Konstantin wollte unbemerkt einen ersten Eindruck von Bouler bekommen, bevor er ihn aufsuchte. Was für ein Antiquitätenhändler lagerte Schmuck in Höhe von hunderttausend Euro in einem Tresor?
War überhaupt eine Alarmanlage in der Bude installiert?
Im Viertel Daoudiate dürfte es kein Geheimnis sein, was Bouler hortete. Anscheinend respektierte man den Geschäftsmann, sonst würde der Laden regelmäßig ausgeraubt werden.
Ließ man ihn aus Ehrfurcht oder aus Angst in Ruhe?
Konstantin lief die Straße entlang, auf der nicht mehr viel los war. Im Gegensatz zu den touristischen Gebieten verschwanden die Einheimischen in ihren Betten, um morgens ihrem Handwerk nachzugehen, bevor die Sonne zu hoch stand und es viel zu heiß war. Nur in den Teestuben und in zwei kleinen Cafés saßen wenige Männer bei Tee und Shisha zusammen, spielten Schach oder Backgammon, schauten sich Fußball in alten Fernsehern an und bejubelten die Torerfolge der Spieler.
Konstantin wurde von den wenigsten wahrgenommen, und wenn, dann mit Desinteresse. TV und Brettspiel waren wichtiger als ein Fremder, der sich verkleidet nach Daoudiate verlaufen hatte.
Kurz nach Mitternacht.
Je näher er Boulers Geschäft kam, desto vorsichtiger wurde er, achtete auf seine Umgebung und das, was sich in den Schatten tat. Es konnte sein, dass der ominöse Thielke auf die gleiche Idee wie er gekommen war.
An seiner Stelle wäre ich schon hier.
Die Fenster der Häuser um den Laden herum waren hell erleuchtet und offen, Gespräche klangen heraus, lautes Lachen und Klatschen. Bauchtanzmusik ertönte, die sich handgemacht anhörte. Während überall Ruhe im Viertel einkehrte, feierte man ausgerechnet in diesem Teil Daoudiates ganz gerne.
Ungestörtheit wäre mir lieber gewesen.
Konstantin erklomm mühelos die Fassade eines Hauses und stellte fest, dass die Foqia genug Beinfreiheit ließ, um sich gut darin zu bewegen. Er hatte das Hausdach schräg gegenüber von Boulers Laden als Spähposten auserkoren.
Mit einem Satz schwang er sich über die Umrandung und landete auf einer Terrasse, auf der weiße Laken auf meterlangen Leinen zum Trocknen hingen. Sie rochen nach Seife, flatterten leise im warmen Nachtwind und berührten Konstantins Nacken, als er hinter einem Mäuerchen abtauchte und die Tür des Geschäfts über die Kante betrachtete.
Konstantin fühlte sich wach und ausgeruht, der Kaffee und das Guarana taten ihren Teil dazu. Die Nacht würde schnell vergehen, und im Laufe des Vormittags, so hoffte er, würde der Inhaber auftauchen.
Sonst werde ich auf der Terrasse gebraten.
Abgesehen von den
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