Oneiros: Tödlicher Fluch
durch und nahm dem Aufprall die Wucht. Aus dem Inneren drang ein überraschter Schrei.
Bouler reagierte abgeklärt und richtete die Micro-Uzi auf Konstantin, drückte ab.
Mit einem Salto rückwärts brachte er sich aus dem Schussfeld, landete auf der Fahrerseite. Er zog den Kopf ein und wartete, bis das hohe Zwiepen und das Kugelprasseln endete.
Kaum machte es
klick,
schnellte er in die Höhe – und sah in die Mündung einer Automatikpistole.
Scheiße.
Konstantin erstarrte.
Der Franzose hatte nicht nachgeladen, sondern die Uzi einfach gegen eine andere Waffe getauscht.
Bouler sah ihn über das Visier an. »Wer bist du denn?«, schnarrte er, dem Akzent nach stammte er aus der Languedoc-Gegend. »Wo ist dein Kumpel?«
»MI 6 «, sagte Konstantin.
Wenn es bei Jester funktionierte, warum nicht bei mir?
»Ich bin Agent des britischen Geheimdiensts und habe den Auftrag, Sie und Monsieur Arctander sicher aus Marrakesch rauszubringen.«
Boulers Gesicht verzog sich, die Skepsis war ihm deutlich anzusehen. »Was?« Er gab seinem Fahrer Anweisung, den Bewusstlosen ins Auto zu hieven.
»Monsieur Arctander ist Träger eines seltenen Virus, das er sich im Verlauf eines Experiments eingefangen hat«, redete Konstantin weiter und lauschte.
Keine Sirenen, keine sonstigen Verfolger?
»Durch ihn könnten sehr viele Menschen ums Leben kommen, Monsieur Bouler. Ich habe …«
»Hättest du Interpol und Diamantenschmuggel gesagt, hätte ich dir geglaubt. Getötet hätte ich dich trotzdem!« Der Franzose drückte in rascher Folge ab. Die Schüsse entluden sich ungedämpft mit lautem Knallen.
Konstantin hechtete hinter den Wagen, noch bevor Bouler seinen Satz beendet hatte. Die Projektile verfehlten ihn nur um Haaresbreite.
Der Mercedes raste davon und ließ ihn auf der Straße zurück.
Wütend erhob sich Konstantin. »So eine …« Er trat aus Frust gegen die Reste einer zerborstenen Obstkiste. Arctander weg, Bouler weg, Ring weg.
Na, der Ausflug nach Marrakesch hat sich ja gelohnt.
Er wischte sich den Staub von der Foqia, die arg in Mitleidenschaft gezogen worden war. Um ihn herum wagten sich die ersten Menschen an die Fenster, auf Balkone und Dächer, um nach der Quelle des Krachs zu schauen.
Er wusste nicht, wo genau er sich in Marrakesch befand, aber er hielt es für sicherer, sich weiter von der Avenue Palestine zu entfernen, um nicht von der Polizei oder Interpol aufgegriffen und befragt zu werden. Bouler schien in ein internationales Verbrechen verwickelt zu sein, vermutlich wegen des Schmucks, den er verkaufte. Konstantin hoffte, dass er nicht ins Visier der Fahnder geraten war, sonst bekam er Schwierigkeiten, aus denen ihm nicht mal Jester helfen konnte.
Hinweisschilder verdeutlichten ihm freundlicherweise, dass er sich nahe der Altstadt befand. Moscheen, Museen, verschiedene Sehenswürdigkeiten waren ausgewiesen.
Na, gut. Von hier aus finde ich in mein Hotel zurück.
Konstantin wollte eben nach rechts abbiegen, als er eine Gestalt in einem Torbogen ausgestreckt auf dem Boden liegen sah. Ein Einheimischer. Er hielt einen Reisigbesen in der Rechten, und vor ihm stand eine Mülltonne, an der angebunden eine Kehrichtschaufel baumelte.
Ein Straßenkehrer.
Konstantin ging zu ihm und kniete sich neben ihn, prüfte den Puls.
Nichts.
Das leise Prasseln von Feuer drang an sein Ohr, Musik dudelte dazu, die von einem hundertfach überspielten Kassettenband zu stammen schien. Es roch nach garendem Fleisch, nach Gewürzen und nächtlicher Stadt, die Luft war angefüllt von Staub und Abgasen, dem Odeur von warmen Steinen und Asphalt. Ein sanfter Wind blies, säuselte leicht und spielte mit Stoffbannern und Fahnen, die ein leises Flattern und Knattern verursachten.
Sonst war alles unerklärlich ruhig. Weder Stimmen noch Lachen noch ein anderer Laut, der von einem Menschen herrührte.
Und das irritierte Konstantin.
Stärker werdender Flammenschein fiel auf sein Gesicht, und er hob den Kopf. Der Torbogen, unter dem der Straßenkehrer lag, führte auf einen großen Platz. Konstantin ging ein paar Schritte weiter – und das Grauen packte ihn, sandte Eisesschauer über seinen Rücken. Ihm wurde schlecht, die Kopfhaut prickelte.
Menschen jeden Alters lagen auf dem Platz umher. Händler hingen über den Auslagen ihrer Stände, ein Koch war nach vorne auf seinen Grill gestürzt und verbrannte nun zusammen mit dem Fleisch, das er aufgelegt hatte. Die Flammen tanzten über den Körper, verschmurgelten die Haut, die Haare, den
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