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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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scheint, als hätten mich höhere Mächte vor dem Gas beschützt.« Er steckte die Hände in die Taschen des Bademantels.
    Darling zückte ein schwarzes Notizbuch. »
Waren
es höhere Mächte? Sir?«
    »Wie … was soll es denn sonst gewesen sein? Wenn ich nicht aufs Klo gegangen wäre, hätte mich das Gas ebenso erwischt wie die anderen. Dieser Araber wollte noch, dass ich sitzen bleibe!« Dann verstand Tommaso, dass der Commander eine Andeutung gemacht hatte, und diese Andeutung gefiel ihm nicht. Sie gefiel ihm überhaupt nicht. »Sie denken,
ich
hätte was mit der Sache zu tun?«, brach es aus ihm heraus, und er fühlte, wie sein stattliches Doppelkinn zitterte.
    »Schön, dass Sie es selbst ansprechen.« Darlings Lächeln blieb wie festgemeißelt. »Welche Erklärung haben Sie denn? Die Toiletten sind nicht luftdicht, also hätten Sie ebenso wie alle anderen sterben müssen, Mister Tremante.«
    »No!«, rief er bestürzt und starrte den Agenten an.
    Darling fuhr sich leicht über die Haare, als wollte er den Sitz seiner Frisur prüfen; die Haare glänzten leicht feucht und schimmerten im Licht. »Über fünfhundert Menschen sterben laut Ihren Angaben in etwa zehn Sekunden an einem Gas, das sich unmittelbar danach in nichts auflöst. Es wurden keinerlei Rückstände gefunden, weder im Innenraum des Airbus noch in den Lungen der Toten. Well, well, Sir. Das ist, mit Verlaub, die unglaubwürdigste Geschichte, die ich in meiner ganzen Laufbahn gehört habe.« Er zeigte mit dem Stift auf Tommaso, und er klang freundlich, doch bestimmt. »Was haben Sie also getan, um zu überleben? Oder ist Ihre ganze Geschichte ein Märchen, um sich selbst zu schützen?«
    »Ich …« Tommaso wusste nicht, was er erwidern sollte. Die Vorwürfe waren lächerlich, unerhört! Er wollte Radont anrufen, damit er ihm den britischen Mistkerl vom Hals schaffte.
    Doch Darling ließ nicht locker. »Angenommen, Sie sagen die Wahrheit: Sie müssen doch etwas bemerkt haben. Einen Geruch, ein Geräusch, erstickte Schreie oder …«
    »Ein Knistern!«
    Darlings Augen wurden schmal, das gefährliche Lächeln wurde von einem lauernden Ausdruck ersetzt. »Im Bericht der Franzosen stand nichts von einem Knistern.«
    »Es ist ja auch nicht wichtig.«
    »Vielleicht doch, wer weiß? Erzählen Sie, Sir.« Der Commander lächelte wieder, hielt seinen Stift und sein Notizbuch bereit.
    »Die Stewardess machte eine Durchsage und … dann knisterte es. Wie ein Störgeräusch. Graues Rauschen oder wie nennt man das?«
    »Belassen wir es bei Knistern.«
    »Si.« Tommaso trank einen Schluck Wasser, seine Hand zitterte leicht, weil die Erinnerung mit voller Wucht zurückkehrte. Das Kettchen um das Gelenk schwang hin und her. Der französische Traumaexperte, den ihm die Polizei nach der ersten Befragung schickte, hatte ihn gewarnt, dass die Bilder ihn lange verfolgen könnten und er eine Therapie in Erwägung ziehen sollte. Anfangs hatte er nicht daran geglaubt, aber dank des Briten spürte er zum ersten Mal Angst. Horror. Er stand wieder in der Kabine, sah sich selbst im Spiegel zuzwinkern, während vor der Tür Hunderte Menschen ihr Leben verloren. »Danach war es still«, flüsterte er.
    »Zuerst das Knistern, dann das Sterben?«
    »Ich denke. Si.«
    Darling verzog den Mund und schrieb. »Aufschlussreich. Könnte sein, dass Sie eine Störung vernommen haben, die vom Funksignal einer Fernbedienung stammte. Der Auslöser für die Einleitung des Gases, Sir.«
    Tommaso war erleichtert, dass ihm der Agent glaubte. Er hatte sich fast schon in britischer Untersuchungshaft gesehen, und die Antiterrorgesetze auf der Insel waren um ein Vielfaches schärfer als die der Franzosen. In einer kleinen, engen Zelle, die ihn an die Flugzeugtoilette erinnern würde. »Lassen Sie bloß diesen Schwachsinn mit den Anschuldigungen«, murmelte er.
    »Ach,
das?
« Darling lächelte freundlich. »Das war ein Verhörtrick, Sir. Ich habe Sie unter Stress gesetzt. Dadurch wird Adrenalin ausgeschüttet, das bringt den Körper auf Touren.« Er pochte gegen die Schläfe. »Auch den Verstand. Wissen Sie, der Mensch ist ein vernunftbegabtes Wesen, das immer dann die Ruhe verliert, sobald von ihm verlangt wird, nach Vernunftgesetzen zu handeln, um es mit einem Zitat zu sagen. Ich habe Sie dazu gebracht, die Ruhe zu verlieren und Ihre Erinnerung wiederzufinden. Bitte entschuldigen Sie vielmals, Sir. Aber Ihr neuer Hinweis wird auch die französischen Kollegen voranbringen. Immerhin scheint es

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