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Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nicht lange, so war der Jüngling der berühmteste Arzt auf der ganzen Welt.
    »Er braucht nur den Kranken anzusehen, so weiß er schon, wie es steht, ob er wieder gesund wird oder ob er sterben muß«, so hieß es von ihm, und weit und breit kamen die Leute herbei, holten ihn zu den Kranken und gaben ihm so viel Gold, daß er bald ein reicher Mann war.
     
    Nun trug es sich zu, daß der König erkrankte.
    Der Arzt ward berufen und sollte sagen, ob Genesung möglich wäre. Wie er aber zu dem Bette trat, so stand der Tod zu den Füßen des Kranken, und da war für ihn kein Kraut mehr gewachsen.
    ›Wenn ich doch einmal den Tod überlisten könnte‹, dachte der Arzt, ›er wird’s freilich übelnehmen, aber da ich sein Pate bin, so drückt er wohl ein Auge zu, ich will’s wagen.‹
    Er fasste also den Kranken und legte ihn verkehrt, so daß der Tod zu Haupten desselben zu stehen kam. Dann gab er ihm von dem Kraute ein, und der König erholte sich und ward wieder gesund.
    Der Tod aber kam zu dem Arzte, machte ein böses und finsteres Gesicht, drohte mit dem Finger und sagte: »Du hast mich hinter das Licht geführt, diesmal will ich dir’s nachsehen, weil du mein Pate bist, aber wagst du das noch einmal, so geht dir’s an den Kragen, und ich nehme dich selbst mit fort.«
     
    Bald hernach verfiel die Tochter des Königs in eine schwere Krankheit. Sie war sein einziges Kind, er weinte Tag und Nacht, daß ihm die Augen erblindeten, und ließ bekanntmachen, wer sie vom Tode errette, der sollte ihr Gemahl werden und die Krone erben.
    Der Arzt, als er zu dem Bette der Kranken kam, erblickte den Tod zu ihren Füßen. Er hätte sich der Warnung seines Paten erinnern sollen, aber die große Schönheit der Königstochter und das Glück, ihr Gemahl zu werden, betörten ihn so, daß er alle Gedanken in den Wind schlug.
    Er sah nicht, daß der Tod ihm zornige Blicke zuwarf, die Hand in die Höhe hob und mit der dürren Faust drohte; er hob die Kranke auf und legte ihr Haupt dahin, wo die Füße gelegen hatten. Dann gab er ihr das Kraut ein, und alsbald regte sich das Leben von neuem.
    Der Tod, als er sich zum zweitenmal um sein Eigentum betrogen sah, ging mit langen Schritten auf den Arzt zu und sprach: »Es ist aus mit dir, und die Reihe kommt nun an dich«, packte ihn mit seiner eiskalten Hand so hart, daß er nicht widerstehen konnte, und führte ihn in eine unterirdische Höhle.
    Da sah er, wie tausend und tausend Lichter in unübersehbaren Reihen brannten, einige groß, andere halbgroß, andere klein. Jeden Augenblick verloschen einige, und andere brannten wieder auf, also daß die Flämmchen in beständigem Wechsel zu sein schienen.
    »Siehst du«, sprach der Tod, »das sind die Lebenslichter der Menschen. Die großen gehören Kindern, die halbgroßen Eheleuten in ihren besten Jahren, die kleinen gehören Greisen. Doch auch Kinder und junge Leute haben oft nur ein kleines Lichtchen.«
    »Zeige mir mein Lebenslicht«, sagte der Arzt und meinte, es wäre noch recht groß.
    Der Tod deutete auf ein kleines Endchen, das eben auszugehen drohte, und sagte: »Siehst du, da ist es.«
    »Ach, lieber Pate«, sagte der erschrockene Arzt, »zündet mir ein neues an, tut mir’s zuliebe, damit ich König werde und Gemahl der schönen Königstochter.«
    »Ich kann nicht«, antwortete der Tod, »erst muß eins verlöschen, eh’ ein neues anbrennt.«
    »So setzt das alte auf ein neues, das gleich fortbrennt, wenn jenes zu Ende ist«, bat der Arzt.
    Der Tod stellte sich, als ob er seinen Wunsch erfüllen wollte, langte ein frisches, großes Licht herbei, aber weil er sich rächen wollte, versah er’s beim Umstecken absichtlich, und das Stöckchen fiel um und verlosch.
     
    Alsbald sank der Arzt zu Boden und war nun selbst in die Hand des Todes geraten.
    Gebrüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen,
    Ausgabe von 1812

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    XI

    Oft denk’ ich an den Tod, den herben,
    Und wie am End’ ich’s ausmach’?!
    Ganz sanft im Schlafe möcht’ ich sterben –
    Und tot sein, wenn ich aufwach’!
    Carl Spitzweg
    Marrakesch, Marokko
     
    K onstantin schwitzte sich unter dem Sonnenschirm der Teestube schier tot.
    Er trank brühend heißen Minztee und dazu eine Flasche Mineralwasser nach der anderen. Sobald er einen Schluck nahm, schien er die Flüssigkeit schon wieder auszudünsten.
    Das Märchen vom »Gevatter Tod« hatte ihm Hoffnung gemacht. In ihm konnte man mit dem Tod sprechen. Man konnte ihn überlisten – aber auch von ihm überlistet

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