Oneiros: Tödlicher Fluch
Azubi stellte keine Fragen, als er die fadenscheinige Begründung seines Chefs hörte, er habe das Passwort vergessen. Schon am folgenden Tag brachte er den Computer wieder mit. »So schnell?«
Jaroslaf nickte. Unter dem offenen Kittel, den er bereits angezogen hatte, schaute ein schwarzes T-Shirt heraus, auf dem PIETÄTSGESCHWADER aufgedruckt war. Gruftihumor. Solange Jaroslaf es nur in den hinteren Räumen trug, hatte Konstantin nichts dagegen einzuwenden. »Ja, Herr Korff. War nicht leicht, aber er … sagen wir, er hat gewisse Programme. Er kauft gebrauchte Computer und löscht die Festplatten, bevor er die Geräte an einen Kunden abgibt. Sonst landen die Pornobilder von Oma Müller sonstwo. Deswegen kann er das recht gut.«
»Danke.« Konstantin wollte ihm hundert Euro für den Kumpel geben.
Jaroslaf winkte ab. »Ist nicht nötig, Herr Korff. Das hat er kostenlos gemacht.« Er ging zur Tür, öffnete sie und verschwand hinaus.
Konstantin klappte den Bildschirm des Laptops hoch und schaltete ihn ein.
Sekunden darauf erklang gehorsam die Startmelodie, eine nichtssagende Benutzeroberfläche erschien, ohne dass ein Kennwort verlangt wurde.
Wer bist du, zuckerkranker Nikotinjunkie?
Seine Finger legten sich auf das Touchpad, er begann zu suchen.
Schneller als ihm lieb war erkannte Konstantin, dass es kaum Daten gab, mit denen er etwas anfangen konnte. Zwar hatte Jaroslafs Kollege die erste Hürde beseitigt, aber viele Bereiche blieben weiterhin gegen seinen Zugriff gesperrt. Jeder Programmaufruf endete in einer Passwortabfrage. Unter
Eigenschaften
und
Benutzer
stand ein
Max Mustermann
eingetragen.
»Scheiße.« Konstantin schnaubte.
Nach kurzem Überlegen startete er den Internetbrowser und ging über die WLAN -Verbindung des Büros ins Internet.
Dieses Mal wurde er nicht enttäuscht.
Anhand des Browserverlaufs besuchte er die Seiten, welche der Unbekannte angesurft hatte: Fluggesellschaften, Reiseveranstalter und Bahnbetreiber in der ganzen Welt.
Dazu gesellten sich zwei Datensicherungsserver, natürlich mit Passwortabfragen, sowie Berichte verschiedener Zeitungswebseiten, darunter verschiedene Meldungen zu dem Flugzeugunglück, dem später getöteten Überlebenden, den rätselhaften Todesfällen in Roccastrada, ein kurzer Artikel über den Tod eines Vogelschwarms in Minsk und ein paar andere Beiträge, die im Zusammenhang mit Arctander oder den Fotos von der Baronesse mal mehr, mal weniger Sinn ergaben.
Es lag an Konstantin, die Informationen zusammenzufügen. Er schloss den Drucker an und druckte den Verlauf aus, damit er sich auf den Blättern Notizen machen konnte.
Nach wie vor verstand er nicht, was der Unbekannte mit seinem Tun bezweckte. Er beschattete, dokumentierte, hielt sich im Hintergrund, scheute aber auch keine Konfrontation, wenn er wie bei Konstantin auffiel. Außerdem hatte der Junkie eine genaue Vorstellung davon, was es bedeutete, ein Todesschläfer zu sein.
Plötzlich öffnete sich ein Pop-up-Fenster, in dem ein Chat-Protokoll aktiviert wurde.
NoOne logged in.
In dem kleinen Kästchen erschien eine Botschaft.
NoOne: Wer auch immer meinen Rechner geklaut hat, ich finde dich, du Arschloch!
Er hat sich an einem anderen Computer eingeloggt und gewartet.
Zuerst wollte Konstantin die Verbindung unterbrechen, doch dann tippte er – und traute seinen Augen nicht. Vor seinen Worten blendete sich ein Name ein:
Thielke.
Der Unbekannte hatte in diesem Programm einen Namen benutzt.
Thielke: Wie geht es deinem Bedford?
NoOne: ICH FINDE DICH . Und dann bist du fällig!
Konstantin dachte an den LeMat-Revolver und das Loch in seinem Bein.
Thielke: Da kannst du lange suchen.
NoOne: Online zu gehen, war ein Fehler, du Arschloch!
Das grüne Lämpchen neben der Webcam im Rahmen des Monitors leuchtete auf.
NoOne: Ach? Der Herr Thanatologe? Na, da kann ich mir die IP -Suche ja sparen. Wie es bei Ihnen im Hintergrund aussieht, sitzen Sie im Ars Moriendi.
Konstantin fluchte. »Ich nehme an, Sie hören mich, Herr Thielke?«
NoOne: Ja.
»Wollen Sie nicht mit mir sprechen?«
NoOne: Nein. Ich schreibe.
»Verstehe.«
Konstantin nahm an, dass er sich an einem öffentlichen Ort aufhielt, vermutlich in einem Internetcafé.
»Haben Sie Ihren Wagen wiedergefunden?«
NoOne: Habe ich.
»Und?«
NoOne: War noch alles da. Hatte jemand anderen in Verdacht, aber jetzt weiß ich ja, bei wem ich mich bedanken muss. Ich
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