Onkel Horatios 1000 Sünden
unverzeihlich benahm. Jedenfalls bin ich heute der Meinung, daß es wirklich ganz reizende Fische waren.»
«Nicht daß es heute noch die geringste Rolle spielte», setzte Teddy entschlossen fort. «Ich habe mich von ihnen getrennt. Aber Abigail - wie du mir gefehlt hast!»
«Ach, Teddy! Und du mir erst!»
«Es ist wundervoll, wieder mit dir beisammen zu sein, Abigail!»
«Ich fühle wie du, Teddy.»
«Abigail, wir zwei könnten doch sicher -»
Die Tür öffnete sich.
«Das ist Mr. Mervyn Spode», sagte Abigail, «mein Verlobter.» Teddy sprang auf. Ihm war, als hätte man ihm sämtliche Gelenke aus dem Körper gezogen und an ihrer Stelle Plastilin eingesetzt. Der Raum bebte und verdunkelte sich um ihn wie das Fernsehen bei einem Gewitter. Sein Mund klappte auf, und in seinen Ohren dröhnte es wie von Professor Needlers reinen Quellen der Gerechtigkeit, die dicht unter seinen Füßen in ihren zeitlosen Höhlen plätscherten. Als sich sein Blick langsam klärte, gewahrte er vor sich eine schlanke, blasse, blondhaarige Gestalt in lavendelblauem Sportanzug.
«Recht guten Tag», begrüßte Mervyn Spode ihn. «Ich wußte nicht, daß du Besuch hast, mein Engel.»
«Das ist Teddy Brickwood», stellte Abigail ihn tonlos vor. «Mr. Brickwood», erklärte sie ihrem Verlobten, «ist ein sehr guter alter Freund. Der Familie», setzte sie hinzu.
«Jeder deiner alten Freunde ist auch der meine, mein Täubchen», lächelte Mervyn Spode, und sein Händedruck war feucht. «Wie freundlich von Ihnen, Mr. Brickwood, uns so bald schon einen Gratulationsbesuch abzustatten. Im Augenblick ist alles noch ein süßes Geheimnis. Mein kleiner Liebling hielt es für besser, uns die Zeitungshyänen noch für einen oder zwei Tage vom Leibe zu halten. Aber morgen wird die Neuigkeit in den Abendblättern stehen», ergänzte er zufrieden und bediente sich aus der Zigarettendose.
«Ich freue mich sehr», gelang es Teddy mit steifen Lippen zu sagen.
«Aber mein lieber Mr. Brickwood - ich darf ihn sicherlich Teddy nennen, mein Herzchen, wie? -, auch Sie werden eine jener kleinen silbergerandeten Einladungen in die St. Georgskirche bekommen und anschließend ins Dorchester - ich, Sydenham», unterbrach er sich und warf sich ziemlich dekorativ auf das Sofa, als der Butler in gestreiften Hosen eintrat. «Besorgen Sie mir etwas zum Frühstück, ja? Eier mit Speck und ähnliches.»
«Das Frühstück wurde leider bereits serviert, Sir.»
«Nun, dann werden Sie es nochmals servieren müssen, nicht wahr?» versetzte Mervyn mit frostigem Lächeln. «Sie können doch wahrlich nicht erwarten, daß ich beim ersten Morgengrauen aus dem Bett springe, nur um meinem Personal die Arbeit zu erleichtern. Oh, und Sydenham -»
«Sir?»
«Ich hätte gern ein anderes Zimmer. Die Straßenseite ist wahnsinnig laut. Der gesamte Verkehr braust an der Ecke vorbei, und die Taxis bahnen sich nachts ihren Weg scheinbar mit der Hupe.»
«Ich will sehen, was sich machen läßt, Sir.»
«Gut.» Mervyn entließ ihn mit einem Kopfnicken. «Ich wohne bei meiner Verlobten, während meine Wohnung in Chelsea neu hergerichtet wird», fuhr er in Teddys Richtung fort. «Deshalb mußte ich ja auch London für zwei Wochen mit dieser Kreuzfahrt verlassen. Und natürlich wegen meiner Gesundheit», sagte er rasch und hüstelte. «Aber wissen Sie, daß ich Abigail gar nie kennengelernt hätte, wenn ich nicht durch einen reinen Zufall mit diesem Schiff gereist wäre, Teddy?»
«Nein?» fragte Teddy dumpf.
«Und dabei war es Liebe auf den ersten Blick. Nicht wahr, mein Herzblatt?»
«Ja», sagte Abigail.
Es wäre bedeutend nützlicher und der Sicherheit von Seereisen unvergleichlich zuträglicher, wenn man am Heck der Ozeandampfer nicht die ziemlich überflüssige Warnung «Nicht zu nahe an die Schiffsschrauben herangehen» anbrächte, sondern statt dessen eine Inschrift wie etwa «Sagen Sie nie ja, ehe Sie wieder an Land sind». Abigail stand spätabends auf dem Schiffsdeck, als die Snowdonia endgültig zur Heimfahrt in den englischen Kanal geschwenkt hatte. Es war eine wunderbare Nacht, die Sterne funkelten wie auf allerhöchsten Befehl, und bei dem sanften Gemurmel der Wellen, die an die Schiffswand schlugen, und der warmen Brise, die ihr durch das Haar strich, hatte Abigail ohne zu zögern ja gesagt, als Mervyn sie um ihre Hand bat.
In den vierundzwanzig Stunden jedoch, seit denen sie Mervyn auf dem Festland kannte, hatten sich gewisse Zweifel in die Seele des Mädchens
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