Onkel Horatios 1000 Sünden
aus dieser Idee Geld schlagen können», sagte er unklar und zündete sich seine Zigarre frisch an. «Jedenfalls hat mich Professor Needler zu dem Entschluß gebracht, ein neues Blatt zu beginnen. Ich bin noch immer ein energischer und intelligenter Mann voll einmaliger Ideen. Ich werde etwas tun, worauf ich mich nie zuvor eingelassen habe: Ich werde mir eine Anstellung suchen.»
«Ja, ja, Onkel. Als was denn?» fragte Teddy.
Lord Brickwood beschrieb einen weiten Bogen mit seiner Zigarre. «Ich darf in aller Bescheidenheit behaupten, ein Mann so vielerlei Talente und so verschiedenartiger Erfahrungen zu sein, daß ich beinahe jeder Position gerecht zu werden vermag. Ich habe heute morgen eine Anzeige in der Personalspalte einschalten lassen.»
Er reichte Teddy einen Zettel aus der Tasche seines Schlafrockes, auf dem geschrieben stand:
«Mitglied des Oberhauses, mittleren Alters, angenehmes Äußeres, beste Manieren, langjährige Verwaltungserfahrung im In-und Ausland, sucht lohnende Beschäftigung. Pflichtbewußt, fleißig, anpassungsfähig, gesund, in Kunst und Sport bewandert, guter Redner, Führerschein, Humor, feste Hand für Geld.»
«Das Wort (Angelegenheiten) wurde hier nach ausgelassen», bemerkte Lord Brickwood, der über Teddys Schulter mitlas. «Diese Anzeige wird mir einen Schwall von Zuschriften bringen. Ich werde mir einfach das höchste Gehalt aussuchen können und, sobald ich wieder auf eigenen Füßen stehe, auf Mrs. Prothero verzichten - das heißt, sie wird wahrscheinlich wollen, daß ich mich schon vor der Hochzeit irgendwo festlege -, ach, schau doch nach, wer an der Tür ist», unterbrach er sich wütend, als es läutete.
Auf dem Türvorleger stand George Churchyard.
«Was hast du mit Abigail getrieben?» herrschte Teddy ihn sofort an.
«Abigail? Ich habe nicht das geringste mit Abigail getrieben», erwiderte George schlagfertig. «Ich würde dir gern eine Bekannte vorstellen», fuhr er fort und gab den Blick auf ein schlankes Mädchen mit langem blondem Haar und einem Leopardenkostüm frei. «Morag und ich wollen uns als Innenarchitekten etablieren», erklärte er. «Aber es ist tatsächlich Abigail, weshalb ich hierher kam.»
«Vielleicht möchtest du mich mit deinen Freunden bekannt machen», unterbrach Lord Brickwood aufgeräumt. «Ich muß mich für mein déshabillé entschuldigen», sagte er zu Morag und wies auf seinen Morgenrock, während Teddy ihn vorstellte. «Aber ich wurde leider nicht dazu erzogen, zu so früher Morgenstunde dem Ernst des Tages ins Auge zu blicken.»
«Die Drachen wirken hinreißend männlich», murmelte Morag.
«Finden Sie?» fragte Lord Brickwood sichtlich erfreut.
«Beinahe schon barbarisch, Herzchen.»
«Was soll das Gerede um Abigail überhaupt?» fuhr Teddy ungeduldig dazwischen. «Ich dachte, du seist mit ihr durchgebrannt?»
«Ich? Sei kein Narr!»
«Ich habe keine Silbe mehr von dir gehört, seit du dich auf den Weg gemacht hast, um Fabian aufzusuchen -»
«Ich hatte leider kaum Gelegenheit, mit ihm über die Angelegenheit zu sprechen», gestand George verlegen. «Er ist irrsinnig beschäftigt, weißt du? Telefonanrufe und Sekretärinnen schwirren nur so durch sein Büro. Ich will dir alles erzählen, was sich zugetragen hat. Obwohl ich es für besser halte, mich zuerst zu setzen», ergänzte er praktisch.
George Churchyard berichtete über seine Reise auf der Snowdonia , ohne Mervyn zu vergessen.
«Ich bin erst gestern in Southampton angekommen und war seither vollauf damit beschäftigt, mir zu meinem Überleben zu gratulieren», schloß er. «Und ich hätte bestimmt nicht überlebt, wenn Morag nicht ab und zu in diesen infernalischen Geschirrspülraum hinuntergekommen und mir ein paar Zigaretten und hie und da eine Flasche Bier gebracht hätte.»
«Ich kam mir genau wie Elizabeth Fry in jenen Gefängnissen vor, Herzchen», hauchte Morag und steckte eine Zigarette in ihre sonderbare Zuckerzange.
«So... Was glaubst du, soll ich jetzt tun?» fragte Teddy niedergeschlagen. Die Gedanken wirbelten durch seinen Kopf, der sich wie ein Spinnrad drehte.
«Mein lieber Junge, das ist höchst einfach», mengte Lord Brickwood sich lebhaft ein. «Dieser Strolch Mervyn hat dir eindeutig die Liebe des Mädchens gestohlen. Am besten, du schießt gleich los und stiehlst sie dir wieder zurück.»
«Ich — ich weiß nicht, ob ich das kann», sagte Teddy unentschlossen.
«Ach, wach doch endlich auf, Teddy!» Onkel Horatio stampfte auf.
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