Onkel ist der Beste
tölpelhaften Sohn, der offenbar sehr verlegen war, aber entschlossen schien, sich den Spaß nicht entgehen zu lassen. Die Blicke der Fentons ruhten einen Augenblick lang rachsüchtig auf den langen Beinen und breiten Schultern, die am Vorderteil des Wagens zu sehen waren.
»Nein, ich fahre nicht in die Stadt. Ich möchte Sie oder Ihre Mutter sprechen — allein.«
»Natürlich. Kommen Sie herein, ich werde Mutter suchen. Sie steckt irgendwo im Garten, glaube ich.«
»Die Mühe können Sie sich sparen. Sie genügen mir — und die Veranda da reicht auch für unser Gespräch — nur daß der Kerl da uns nicht hört...«
Damit war Judy auf das Schlimmste gefaßt. Gleichzeitig jedoch war sie sehr erleichtert, daß sie und nicht ihre Mutter mit der Sache zu tun bekam. Sie trat dem anklagenden Paar ruhig entgegen, wenn auch mit Angst im Herzen.
»Sehen Sie, Miss, mir ist etwas verlorengegangen. Nicht verloren, sondern...«
»Verlegt haben Sie es? Das kenne ich. Das passiert mir andauernd. Ist das nicht eine Plage?«
»Auch nicht verlegt. Man kann nicht zwei Benzinkanister verlegen. Die sind gestohlen worden.«
Zwei Kanister also — noch schlimmer, als sie gedacht hatte! Das sah Terry ähnlich, nur einen zuzugeben. Doch ihr Gesicht verriet nichts von alledem. »Nein, das würde nicht mal ich verlegen. So ein Ärger! Was kann damit nur passiert sein?«
»Das möchte ich ja wissen. Gestern abend waren sie noch in der Garage, und als ich heute morgen den Wagen herausfahren wollte, waren sie weg.«
»Wie ungewöhnlich! Pech für Sie — und auch für mich. Mir ist das Benzin ausgegangen, ich wollte Sie anrufen und mir etwas Benzin ausleihen, aber das Telefon funktioniert nicht.« Insgeheim dachte sie: Das ist eine faustdicke Lüge. Als ob ich mir von dem da etwas borgen würde!
»Zwei Benzinkanister können nicht so einfach verschwinden.«
»Sicher nicht. War die Garage versperrt?«
»Gut versperrt. Das war sie auch heute morgen noch, aber das Zeug war weg.«
»Noch merkwürdiger. Es macht mich ganz nervös. Hier müssen sich Diebe herumtreiben.«
Der blöde Junge kicherte, und Fenton sagte in anzüglichem Ton: »Einen Dieb gibt es sicher, und der ist in unserer Nähe.«
»Wirklich? Ach so, Sie wollten uns warnen, wie nett von Ihnen!«
Jetzt verlor Fenton auch den letzten Rest seiner Fassung und wurde grob: »Sie wollen mich wohl zum Narren halten! Sie wissen genau, wen ich meine — den jungen Dieb da!«
In Judys Gesicht wetterleuchtete es, sie bewahrte aber Ruhe: »Meinen Sie Terry Mason? Beschuldigen Sie ihn, Ihren Kanister gestohlen zu haben? Wenn ja, dann hole ich lieber meinen Onkel. Ich möchte einen Zeugen haben, ich nehme an, Sie haben schon etwas von Verleumdung gehört!«
Der eisige Ton ihrer Stimme brachte ihn einen Augenblick zur Vernunft. Er sah verlegen seinen Sohn an und polterte dann weiter: »Keine Spur von Verleumdung! Wer sonst könnte es getan haben? Wir hatten unlängst Streit. Er wurde unverschämt und bekommt jetzt die Rechnung präsentiert. Natürlich hat er es getan.«
»Und warum sollte er ausgerechnet Benzin stehlen? Er hat weder ein Auto noch ein Motorrad. Wozu braucht er da Benzin?«
Fenton antwortete nicht. Seine schlauen, mißtrauischen Augen glitten zu dem im Hof stehenden Wagen. Judy folgte seinem Blick, und jetzt ließ sie ihrem Temperament die Zügel schießen. »Sie meinen, für den Wagen meiner Mutter? Sie glauben, sie würde gestohlenes Benzin verwenden? Kommen Sie und sagen Sie ihr das, Sie— «
Hastig sagte er: »Nur keine Beschimpfungen! Und gegen Ihre Mutter habe ich kein Wort gesagt. Wir alle wissen, daß sie eine richtige Dame ist, also beruhigen Sie sich. Ich habe bloß gesagt, daß dieses Benzin irgendwo sein muß, vermutlich...«
»Und bei uns möchten Sie danach suchen? Wie können Sie es wagen? Verschwinden Sie, Sie ekelhafter Wicht! Verschwinden Sie augenblicklich, oder ich rufe Terry, daß er Sie hinauswirft!«
Schon anderen als James Fenton hatten Judys Zornausbrüche einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Er stand mit offenem Mund da. Sein Sohn zupfte ihn am Ärmel. »Komm, Papa. Hat doch keinen Zweck, richtig Streit anzufangen. Der Kerl ist stark.«
Fenton ließ sich hinausdrängen und rief dabei verächtlich über die Schulter zurück: »Ein Drachen sind Sie! Nicht so wie Ihre Mutter. Keine Dame! Das verdammte Telefon ist leider gestört — immer wenn man es dringend braucht. Morgen fahre ich zuallererst zum Laden und rufe die Polizei an. Sie
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