Onkel ist der Beste
Wirkung erst die Tochter des Hauses hervorrufen würde. Nur auf Dora konnte man sich verlassen.
Sie trat in diesem Augenblick aus der Tür, und ihr Onkel war dankbar, obgleich nicht erstaunt, als er sah, daß der Fremde mit der Hand auf der Gartentür innehielt. Wenn Robert nicht erwartet hatte, eine so blendende Erscheinung als Bewerber um einen Verwalterposten zu sehen, so war der Bewerber seinerseits erstaunt, diese Frau in einem Bauernhaus im Hinterland anzutreffen. Er trug keinen Hut, doch die Art, wie er Dora grüßte, ließ an das schwungvolle Abnehmen einer federgeschmückten Kopfbedeckung denken. Robert beobachtete es mit einem Achselzucken. Dieser junge Mann verströmte Charme. Obwohl Robert diese Eigenschaft bei einer Frau bewunderte, mißtraute er ihr unvernünftigerweise bei seinem eigenen Geschlecht.
Alle drei hatten rasch Kontakt miteinander. Als sie dasaßen und Doras hervorragenden Kaffee tranken, überlegte Robert, daß sie sich mit der Korrektheit von Schauspielern benahmen, die eine Teegesellschaft mimten. Die Geschäfte blieben unerwähnt, niemand schienen so banale Fragen wie Löhne, Arbeitsstunden, Urlaubsgeld und Sozialversicherung zu kümmern.
Diese Atmosphäre wurde durch die Ankunft von Judy und Terry abrupt zerstört. Erstaunt und erleichtert sah Robert, daß das Mädchen adretter als sonst war, ja sogar das Beste aus sich gemacht hatte. Sie trug Reithosen statt ihrer Arbeitskluft und hatte, klugerweise sparsam, Lippenstift aufgetragen. Damit hatte sie jene Eleganz und Überlegenheit angenommen, die Robert schon früher an ihr bemerkt hatte. Er kam zu der Ansicht, daß sie heimlich einen Blick auf diesen schönen jungen Mann geworfen hatte und sich bemüßigt fühlte, sich entsprechend zurechtzumachen.
Ein Jammer, daß dessen Erscheinung auf Terry die umgekehrte Wirkung hatte. Er führte sich während der nächsten halben Stunde so schlecht wie möglich auf und beäugte Chapman voll Mißtrauen und Ablehnung, wobei er zwischen düsterem Schweigen und prahlerischer Frechheit schwankte.
Robert hatte sofort bemerkt, daß Terry auf sein eigenes gutes Aussehen sehr stolz war. Jetzt aber war ein Rivale auf der Bildfläche erschienen, ein junger Mann, der hübscher, charmanter und erfolgreicher war als Terry, der sich mit dem gekränkten Egoismus eines verwöhnten Kindes benahm. Robert brachte dafür kein Verständnis auf.
Judy war sofort ganz sachlich. Die Szene hörte auf, eine Party zu sein, und wurde ein Interview, obwohl Robert nicht genau unterscheiden konnte, wer eigentlich hier der Interviewer war. Judy legte charakteristischerweise ihre Karten offen auf den Tisch, gestand alle Nachteile der Farm ein, während Chapman höflich zuhörte, eine Zigarette nach der anderen aus seinem eleganten Etui rauchte und sehr wenig von sich selbst preisgab.
Judy stand plötzlich auf. »Wenn Sie sich hier umsehen wollen, gehen wir lieber gleich. Es wird bis zum Lunch dauern. Wir haben im Hof zwei Pferde stehen.«
Beide entfernten sich. Judys Kopf reichte dem Mann kaum an die Schulter. Sie wirkte lebhaft und fröhlich, während sie seine Fragen beantwortete. Terry sah ihnen finster nach, und Dora sagte mit ihrer zarten Stimme: »Er scheint sehr nett zu sein. So gutaussehend und manierlich.«
Robert antwortete vorsichtig: »Hoffen wir, daß sein Können seiner Erscheinung entspricht. Seine Referenzen sind jedenfalls zufriedenstellend.«
»Warum auch nicht?« bemerkte Terry achselzuckend. »Soviel ich weiß, schreibt man sich die Zeugnisse selbst.«
Robert sah ihn streng an. »Nur ein sehr dummer Arbeitgeber würde sich auf Zeugnisse allein verlassen. Mit deiner Erlaubnis, Dora, möchte ich zwei Ferngespräche führen, um mir Gewißheit zu verschaffen.«
Zu Terrys Enttäuschung ergaben sie nur die Bestätigung der Tatsache, daß Chapman genau der Mann war, den sie brauchten. »Die einzige Frage ist jetzt«, meinte Dora nervös, »ob er überhaupt bleiben möchte.«
Diese Frage wurde beantwortet, als die jungen Leute zum Essen kamen. Chapman war völlig offen. »Auf der Farm muß viel getan werden. Miss Moore hat mir erzählt, daß Sie ein paar unfähige Verwalter hier hatten, und es sieht ganz danach aus, aber der Besitz ist interessant und bietet Möglichkeiten. Ich hätte den Job gern zur Abwechslung.«
Judy schien der gönnerhafte Ton nicht zu stören, aber Terry murmelte leise: »Danke für die Blumen.« Nur Robert hatte ihn gehört und bedachte ihn mit einem zurechtweisenden Blick. Terry
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