Onkel ist der Beste
daß nur ein Narr sich in dieser Situation nicht fürchten würde. Jeder Bürger mit einiger Selbstachtung wäre wohl bei der Teilnahme an einem Einbruch von Angst und Scham überwältigt worden. Einbruch? Aber war Rückgabe denn ein Einbruch? Verärgert schob er diese Frage von sich und lauschte auf ein eventuelles Geräusch, das ihm Judys Kommen anzeigte. Das Geschrei ging weiter, obwohl das schrille Kläffen des Terriers aufgehört hatte.
Da glitt ein kleiner Schatten aus dem noch dunkleren Schatten der Nacht, und Judy war da! Sie keuchte ein wenig, lachte ohne ersichtlichen Grund und schlüpfte auf den Fahrersitz. Statt aber sofort die Bremse zu lösen und den Wagen hügelabwärts rollen zu lassen, beugte sie sich über das Steuer, hilflos vor unterdrücktem Lachen. Trotz seiner Erleichterung murmelte er vorwurfsvoll: »Wenn du dich gefaßt hast, könnten wir vielleicht nach Hause fahren. Die Hunde können jeden Moment da sein.«
»Das sind friedliche Farmerhunde.«
»Friedlich hören sie sich nicht an, und ihr Besitzer ist es sicher auch nicht.«
»Ganz sicher wird er das nicht sein, wenn er morgen seine Bruthenne sieht«, meinte sie geheimnisvoll. »Bist du o. k.?«
Auch in dieser Lage konnte er das Rügen nicht lassen. »Mußt du diesen vulgären Ausdruck verwenden? Ja, mir geht es tadellos. Ich bin sehr erleichtert, wäre aber noch glücklicher, wenn wir uns endlich auf den Weg machten.«
Sie löste die Bremse, der Wagen begann sich in Bewegung zu setzen und wurde immer schneller. Als sie schließlich das Licht einschaltete, war er entsetzt, denn sogar bei der schwachen Beleuchtung konnte er sehen, daß ihr Gesicht von einer klebrigen Flüssigkeit bedeckt war.
»Blut?« fragte er zitternd.
»Kein bißchen, außerdem sind es nur Eier, frische zum Glück. Ich bin ganz wild darauf, es dir zu erzählen. Es war schrecklich lustig, aber ich muß mich jetzt konzentrieren, weil mir jeden Moment das Benzin ausgehen kann.«
Sie fuhren nun in schnellem Tempo dahin, um die Steigung mit hohem Gang hinter sich zu bringen. Plötzlich bog Judy ab und fuhr über die schmale Brücke, und zwar in einem Tempo, bei dem Robert ansonsten erstarrt wäre — er war jedoch schon über jegliches Angstgefühl weit hinaus. Mit tiefer Dankbarkeit nahm er zur Kenntnis, daß sie zu Hause waren — und in Sicherheit.
Als sie in die Garage fuhren, folgte ihnen Terry. Offenbar hatte er die ganze Zeit über auf ihre Rückkehr gewartet. »In Ordnung?« flüsterte er. »Kommt in mein Zimmer und erzählt!«
Robert zögerte. Im Augenblick verspürte er nicht den Wunsch, sich mit Terry zu unterhalten, doch brannte er darauf, Judys Abenteuer zu erfahren, und sie konnten nur in Terrys Zimmer sicher sein, Dora nicht zu stören.
Im hellen Licht bot Judy einen erstaunlichen Anblick. Ihr G esicht war mit einer merkwürdigen Substanz bedeckt, die ihr bis in den Nacken geflossen war. Ihr wirres Haar war mit Heu und Eierschalen durchsetzt, ihre Bluse ruiniert, und durch einen klaffenden Riß in der Hose zeigte sich eine tiefe Schramme.
Entsetzt starrte Terry sie an. »Zum Teufel, Judy, was ist denn mit deinem Gesicht los?«
»Warte, bis ich an einen Wasserhahn komme«, lautete ihre knappe Antwort. An Terrys Waschbecken spritzte sie sich energisch Wasser ins Gesicht. Dann sagte sie: »Nun gut, ich habe dir versprochen, alles zu erzählen, weil du dich so tadellos verhalten hast. Alles lief glatt, bis Onkel Robert über einen Spaten stolperte und der Terrier sich meldete. Onkel lief blitzschnell zum Wagen, verfehlte den Weg und landete in der Hecke. Ich verlor die Nerven und ließ das Vorhängeschloß fallen. Dann fand ich es wieder und versperrte die Tür, aber da tobte Fenton auch schon aus dem Fenster, und das Licht fiel direkt auf den Weg. Ich schlich mich daher seitlich davon und lief zu den Koppeln nach hinten. Ich wollte querfeldein laufen und später auf die Straße kommen. Onkel Robert hatte versprochen, er wolle losfahren und mich hinter der Kurve erwarten. Übrigens kann ich mir kaum vorstellen, wie du das geschafft hast — aus purer Verzweiflung, nehme ich an?«
»Sie haben noch nie einen Wagen gefahren, Mr. Macalister?« warf Terry ein.
»Noch nie — und ich hoffe, daß man es mir nie mehr zumutet.«
»Also«, fuhr Judy fort, »ich irrte mich in der Geographie und befand mich plötzlich zwischen den Stallungen. Da glaubte ich die Hintertür zu hören und verlor den Kopf. Ich schoß in den nächsten Stall, stolperte über eine
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