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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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Südwesten nach Nordosten, wobei es sich abrundete, so daß die Form des Sees in etwa einem Herzen gleichkam, dessen Spitze nach Süden zeigte. Das Wasser war klar und ziemlich dunkel; an manchen Stellen brodelte es oder es schnitten sich konzentrische Kreise, woraus man schließen durfte, daß das Gewässer sehr fischreich war.
    Südlich des Sees stieg der Boden unmittelbar zu einer dürftig bewaldeten Hügellandschaft an, in der sich die drei Kundschafter sogleich umsahen. Es wuchsen dort viele hohe Bambusstauden, auf die Marc seine Begleiter sofort aufmerksam machte.
    »Bambus!« rief Flip. »Ah, Monsieur Marc, das ist eine wertvolle Entdeckung.«
    »Aber essen kann man Bambus doch nicht«, sagte Robert.
    »Ist denn nur nützlich, was man essen kann?« erwiderte der Seemann. »Und außerdem möchte ich Sie darauf hinweisen, daß ich, so wahr ich hier stehe, in Indien Bambus wie Spargel gegessen habe!«
    »Dreißig Fuß langen Spargel!« rief Robert. »Und hat er gut geschmeckt?« »Ausgezeichnet«, antwortete Flip, ohne eine Miene zu verziehen. »Aber offen gestanden waren es keine dreißig Fuß langen Bambusstauden, sondern junge Bambussprossen. Lassen Sie sich ferner gesagt sein, Monsieur Robert, daß das Mark neuer Stengel in Essig eingelegt ein sehr begehrtes Gewürz abgibt. Aus diesen Bambusstauden, die man allerlei Verwendungszwecken zuführen kann, gewinnt man auch eine zwischen den Knoten ausschwitzende süßliche Flüssigkeit, die Miss Belle sich bestimmt schmecken lassen würde.«
    »Was läßt sich denn noch alles mit dieser kostbaren Pflanze anfangen?« fragte Marc.
    »Die Rinde, Monsieur Marc, wird in schmale Bänder geschnitten und zu Körben geflochten. Man kann sie auch mazerieren, bis ein Brei daraus entsteht, der zu Chinapapier verarbeitet wird. Aus den Halmen fertigt man – je nach Größe – Pfeifenrohre, Stöcke oder gar Wasserleitungen. Die längsten Stauden dienen als leichtes, solides Bauholz, das nie von Insekten befallen wird. Und schließlich läßt sich daraus etwas herstellen, was uns sehr interessiert, nämlich Gefäße von unterschiedlichem Fassungsvermögen.«
    »Gefäße! Ja, wie denn?« fragte Robert.
    »Indem man an der gewünschten Stelle die Zwischenknoten durchschneidet und als Gefäßboden die Scheidewand behält, die den Knoten bildet. In China sind diese haltbaren und praktischen Gefäße sehr verbreitet.«
    »Da wird unsere Mutter sich aber freuen,« sagte Marc, »wo sie doch einzig und allein auf ihren armseligen Kessel angewiesen ist!«
    »So, meine jungen Freunde«, sagte Flip, »jetzt gleich brauchen wir uns mit diesem Bambus nicht abzuschleppen. Auf dem Rückweg kommen wir wieder hier vorbei und nehmen mit, was wir brauchen. Also weiter!«
    Die Jäger setzten ihren Weg über die Hügel fort und kamen bald so weit hinauf, daß sie hinter der vielgestaltigen Dünen-landschaft das glitzernde Meer erblickten. Von dieser Stelle aus war auch deutlich das Felsenende zu erkennen, dessen Aushöhlung der Familie nun als Behausung diente.
    Die beiden Jungen richteten gierige Blicke in jene Richtung, doch über eine Entfernung von fünf Meilen und durch die Baumreihe hindurch ließ sich nicht ausmachen, wo genau der Lagerplatz war.
    »Nein«, sagte Marc, »wir können von hier aus die Grotte nicht sehen, in der unsere Mutter, Jack und Belle sich aufhalten. Aber schau, Robert. Siehst du nicht über den Bäumen diese kleine Rauchsäule aufsteigen? Ist das nicht ein Zeichen, daß dort alles in Ordnung ist?«
    »Ja, ich sehe sie!« rief Robert.
    »Dieser Rauch«, sagte Flip, »ist tatsächlich ein gutes Zeichen, und solange er am Himmel steht, brauchen wir für die lieben Menschen, die wir zurückgelassen haben, nichts zu befürchten. Wenn Sie einverstanden sind, meine jungen Herren, möchte ich nicht in dieser Richtung weitergehen, sondern lieber erkunden, ob die südwestlich gelegenen Hügel nicht etwa wildreich sind. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir nicht nur Erforscher, sondern auch Jäger sind und an unsere Speisekammer denken müssen.«
    Das war ein befolgenswerter Ratschlag. Auf Wild waren sie nämlich bisher noch nicht gestoßen. Flip und seine jungen Gefährten stiegen zum Meer hinunter, das sie schon bald aus den Augen verloren. Sie trafen auf kleine, zwischen den Dünen versteckte Wiesen, deren etwas feuchter Boden mit aromatischen Gräsern bedeckt war. Die ganze Luft war von ihrem Duft erfüllt, und Flip erkannte mühelos Büschel von Thymian, Feldquendel,

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