Onkel Robinson
Gerne hätte er die wertvolle Feuerstelle in die Grotte selbst verlagert, die dann aber durch den Qualm unbewohnbar geworden wäre. Die Konstruktion eines Rauchabzugs war jedoch eine äußerst schwierige Angelegenheit. Wie sollte der Seemann ohne Werkzeug, ohne eine Hacke oder einen Pickel, in die Granitwand ein Loch schlagen? Hätte irgendwo ein Riß geklafft, so hätte Flip sich das vielleicht zunutze machen können; der Fels jedoch präsentierte sich als kompakte Masse, an die mit einem Messer nicht heranzugehen war. Unter solchen Umständen mußten sie also darauf verzichten, im Grotteninneren einen Kamin zu errichten, und waren weiter auf ihre Feuerstelle draußen angewiesen. Flip gab aber die Hoffnung nicht auf, sein Vorhaben einmal zu verwirklichen, so wie in seinem Kopf auch einige andere Pläne heranreiften, über die er sich oft mit Marc unterhielt.
Zu Anfang der dritten Woche, am Montag, den 15. April, unternahmen Flip, Marc und Robert wieder eine größere Expedition in den Wald. Sie hatten vor, das rechte Flußufer und seine dicht mit Bäumen bestandene Böschung zu erkunden. Ohne Boot und ohne Brücke konnten sie jedoch den Fluß nicht so einfach an der Stelle überqueren, an der er dem See entfloß; also beschlossen sie, statt dessen um den See herumzugehen und das rechte Flußufer auf diese Weise zu erreichen. Dazu waren drei Meilen Weg zurückzulegen, aber das machte so tüchtigen jungen Marschierern wie Marc und Robert nichts aus; es war nur eine Frage der Zeit. So gingen die drei also am frühen Morgen los, nahmen Proviant für den ganzen Tag mit und gedachten erst bei Einbruch der Dunkelheit wieder zurückzukehren. Mrs. Clifton hatte dazu ihre Einwilligung gegeben, wenn auch eine so lange Abwesenheit sie mit etwas Sorge erfüllte.
Um sechs Uhr morgens kamen Flip und die beiden Jungen beim Waldrand am östlichen Seeufer an. Der Boden war dort sehr unwegsam. Die Bäume wuchsen wild durcheinander und bildeten ein sonnenundurchlässiges Dach. Es herrschte beständiger feuchter Schatten unter ihrem Geäst. Nur Nadelhölzer standen dort empor: Wacholder, Lärchen, Tannen und Strandkiefern.
Die beiden Jungen und ihr Gefährte betraten den Wald. Nur mühsam konnten sie sich durch das Unterholz einen Weg bahnen und mußten unentwegt Gestrüpp und Lianen wegschlagen und abschneiden. Durch das Halbdunkel flatterten aufgescheuchte Vögel davon. Immer wieder hastete ein aus seinem Lager aufgestörter Vierbeiner durch das hohe Gras. Man konnte die Tiere nicht erkennen und erst recht nicht erlegen, sehr zum Verdruß Roberts.
Als sie eine halbe Stunde dahinmarschiert waren, blieb der vorausgeeilte Marc plötzlich stehen und stieß einen überraschten Ruf aus.
»Was ist denn los, Monsieur Marc?« fragte Flip und lief zu dem Jungen.
»Der Fluß!«
»Schon?« rief der Seemann höchst erstaunt.
»Sehen Sie nur!« erwiderte Marc.
Tatsächlich strömten an dieser Stelle gemächlich die dunklen, tiefen Wasser eines Flusses dahin. Höchstens sechzig Fuß breit mochte er sein. Große Bäume spannten von einer Böschung zur anderen ein riesiges Gewölbe. Die beiden sehr höckerigen Ufer verschwanden unter dem Dickicht. Der solchermaßen eingeschnittene Fluß schlängelte sich durch eine sehr enge, malerische Schlucht. Es war ein urtümlicher, imposanter Ort. An manchen Stellen war durch umgestürzte Bäume eine Lichtung entstanden, durch die die Sonne hineinflutete und den Wald zu entflammen schien. Die Luft war von gesundem, herzhaftem Waldesduft erfüllt, von den balsamischen Ausdünstungen der Nadelbäume. Es breitete sich dort eine fast tropische Vegetation aus; Lianen verbanden die Bäume miteinander, die unter ihrer Blätterfülle erstickten, und vor dichten Grasbüscheln, die wahre Reptiliennester sein konnten, mußte man sich in acht nehmen
Flip und die beiden Jungen besahen all das voll stummer Bewunderung. Ein Gedanke jedoch machte dem Seemann zu schaffen. Warum standen sie jetzt schon an diesem Fluß, den sie seinen Schätzungen nach erst eine Stunde später hätten erreichen sollen? Das war unerklärlich.
»Dieser Fluß«, sagte dann Marc, »ist wahrscheinlich gar nicht der, den wir schon erforscht haben.«
»Ja, natürlich!« rief Flip. »Er hat weder die gleiche Farbe noch die gleiche Geschwindigkeit. Dieser hier ist schwarz und schießt wie eine Stromschnelle dahin.« »Sie haben recht, Flip«, erwiderte Marc.
»Und wenn wir flußabwärts daran entlanggehen«, fuhr der Seemann fort, »dann
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