Onkel Robinson
ersten Male »zu Tisch setzen«!
Das schlechte Wetter aber hielt an. Schauer und Böen lösten einander unaufhörlich ab. Flip fragte sich, ob etwa auf diesem Breitengrad gerade die Regenzeit begonnen habe und noch wochenlang andauern würde. In diesem Fall hätten die Chancen für Jagd und Fischfang schlecht gestanden, und sie wären gezwungen gewesen, sich etwas einfallen zu lassen. In der Nacht vom 21. auf den 22. April nahmen Sturm und Regen noch einmal an Heftigkeit zu. Flip hatte zum Schutz seines Feuers alle notwendigen Maßnahmen getroffen. Er glaubte auch gar nicht, daß eine echte Gefahr drohte, solange der Wind aus Nordwest wehte. Nur von den Luftwirbeln war etwas zu befürchten. Im allgemeinen hielt Flip am Feuer Wache, während Mrs. Clifton und ihre Kinder in der Grotte schliefen. Vor einiger Zeit hatte aber Marc ihn gebeten, mit ihm diese Aufgabe teilen zu dürfen. Da der wackere Seemann nicht gänzlich ohne Schlaf auskommen konnte, hatte er Marcs Bitte wohl oder übel entsprochen. So wechselten er und der Junge, auf den völliger Verlaß war, sich alle vier Stunden ab.
In jener fürchterlichen Nacht nun hatte Flip gegen Mitternacht die Wache Marc überlassen und sich auf seinem Moosbett niedergelegt. Das mit Brennmaterial wohlversorgte Feuer prasselte wunderbar vor sich hin, und am Grotteneingang war genügend Holz gestapelt. An einem Felsstück sitzend, schützte sich Marc so gut es ging vor dem strömenden Regen. Eine Stunde lang kam es zu keinerlei Zwischenfall. Wind und Meer brausten im Duett, aber die Wetterlage verschlimmerte sich nicht.
Da sprang plötzlich gegen halb zwei Uhr morgens der Wind mit unerhörter Schnelligkeit von Nordwest auf Südwest um. Eine ungeheure Masse aus Wasser und Luft wuchtete auf die Felswand zu und wirbelte dabei eine Sandsäule auf.
Geblendet wurde Marc zu Boden geworfen, stand aber sofort wieder auf und rannte zu seinem Feuer!
Keine Feuerstelle mehr. Der Orkan hatte die Steine auseinandergewirbelt und die Holzstücke weggefegt. Die Nadelholzfackeln flogen wie leuchtende Strohhalme durch die Luft. Glutstücke rollten über den Sand und hauchten ihren letzten Schimmer aus.
Der arme Marc war verzweifelt.
»Flip! Flip!« schrie er.
Der durch Marcs Rufe aus dem Schlaf geschreckte Seemann eilte aus der Grotte. Sofort war ihm alles klar! Der Junge und er wollten noch einige glühende Holzstücke erhaschen, die vom Sturm umhergetrieben wurden. Doch vor lauter Regen sahen sie nichts, und die Böen warfen sie um, so daß sie sich schließlich verzweifelt am Fuß der Felswand in die tiefe Dunkelheit kauerten.
Kapitel 12
Die Lage war nun entsetzlich. Ein Sturm hatte genügt, um die Zukunft der unglücklichen Familie ernsthaft in Frage zu stellen. Was sollte denn ohne Feuer aus der kleinen Kolonie werden? Wie sollten sie die lebensnotwendige Nahrung zubereiten? Wie der großen Winterkälte widerstehen? Wie auch nur in der Nacht sich vor angreifenden Raubtieren schützen? Das alles ging dem armen Flip durch den Kopf, und trotz seiner sonstigen Willenskraft war er niedergeschmettert. Stumm und reglos saß er in seinen durchnäßten und schlammverschmutzten Kleidern da und starrte ins Dunkle.
Die Verzweiflung des armen Marc aber war unbeschreiblich. Er weinte.
»Verzeihen Sie mir! Verzeihen Sie mir!« stammelte er.
Flip umfaßte die Hände des Jungen und drückte sie, brachte aber kein tröstendes Wort hervor.
»Meine Mutter! Meine arme Mutter!« sagte Marc immer wieder.
»Wecken wir sie nicht auf, junger Herr«, sagte der Seemann. »Sie schläft! Und ihre Kinder schlafen. Wecken wir auch sie nicht auf! Morgen werden wir versuchen, dieses Unglück wiedergutzumachen.«
»Es ist aber nicht wiedergutzumachen!« murmelte Marc mit tränenerstickter Stimme.
»Doch …« erwiderte Flip, »doch … vielleicht! Wir werden sehen!«
Der ehrliche Seemann fand keine Worte, um jene Dinge auszudrücken, an die er ja doch nicht glaubte!
Er wollte Marc dazu bringen, in die Grotte zu gehen, da es noch immer in Strömen regnete. Doch der arme Junge sträubte sich.
»Es ist meine Schuld! Es ist meine Schuld!« sagte er fortwährend.
»Nein!« entgegnete Flip. »Nein, junger Herr! Es ist nicht Ihre Schuld. Wäre ich an Ihrer Stelle gewesen, so wäre mir das gleiche Unglück widerfahren! Niemand hätte gegen solche Wassermassen etwas ausrichten können. Sie sind ja umgeworfen worden! Mir wäre es genauso ergangen, und genau wie Sie hätte ich keinen Funken dieses Feuers retten
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