Onkel Robinson
fünf-bis sechstausend Fuß über dem Meeresspiegel liegen. Wenn er also auf einer mittelgroßen Insel emporragte, deren Umfang vierzig bis fünfzig Meilen betrug, dann mußten für einen auf seiner Spitze stehenden Beobachter Ozean und Himmel sich zu ein und demselben Horizont vermischen. Aber war dieser Gipfel überhaupt zu besteigen? Gab es ein Durchkommen durch die Wälder und die dichte Reihe von Ausläufern, von denen der Berg umgeben war?
Da war die andere Methode schon praktikabler. Man brauchte lediglich mit dem Boot an der Küste entlangzufahren und ihre Gestalt zu erkunden. Der Onkel war ein guter Seemann, und das Boot hatte nicht viel Tiefgang; wenn sie damit während der langen Juni-oder Julitage den Windungen des Ufers folgten, würden sie bald Bescheid wissen, was es mit diesem Land auf sich hatte.
War es Festland, so konnte eine spätere Heimfahrt ins Auge gefaßt werden. Sie brauchten sich dann nur provisorisch einzurichten.
Sollte es sich jedoch um eine Insel handeln, dann war die Familie Clifton darauf gefangengehalten und konnte nur mehr hoffen, daß der Zufall einmal ein Schiff in diese Gegend führen würde. Mit dieser Lage mußten sie sich dann abfinden und sich auf Dauer an diesem Ort installieren. Schrecken konnte ein so abgeschiedenes Dasein Harry Clifton übrigens nicht, denn er war ein tatkräftiger, beherzter Mann. Nur wollte er wissen, woran er war, und beschloß daher, eine Erkundung zu unternehmen, sobald die Umstände es erlauben würden.
Als der Ingenieur so nachdachte und dabei auf den See blickte, gewahrte er zu seiner Überraschung, daß in etwa hundert Metern Entfernung vom Ufer das Wasser brodelte. Worauf war dieses Phänomen zurückzuführen? Handelte es sich um eine Expansion unterirdischer Kräfte, die dann auch eine Erklärung für die vulkanische Beschaffenheit der Küste geboten hätte? Oder hatte nur ein Reptil den See zu seiner Wohnstätte auserkoren? Clifton wußte nicht, was er von der Sache zu halten hatte. Zwar verschwand das Brodeln bald, doch nahm der Ingenieur sich vor, das verdächtige Gewässer künftig im Auge zu behalten.
Der Tag war schon weit fortgeschritten, und die Sonne begann sich am Horizont zu neigen, als Mr. Clifton in der Nähe des nördlichen Ufers eine größere Masse wahrnahm, die sich auf der Wasseroberfläche dahinbewegte. Bestand zwischen diesem Gegenstand und dem zuvor beobachteten Brodeln irgendein Zusammenhang? Clifton fragte sich das natürlich. Es konnte hingegen kein Zweifel bestehen, daß der Gegenstand sich am Nordufer entlang weiter vorwärtsbewegte.
Harry Clifton rief seine beiden Kinder Robert und Jack zu sich. Er zeigte ihnen die wandelnde Masse und fragte sie, worum es sich dabei handeln könne. Der eine sagte: Das ist ein Seeungeheuer; der andere: Das ist ein riesiges Stück Treibholz. Währenddessen kam die Masse immer näher, bis schließlich deutlich wurde, daß da ein von Menschen gelenktes Floß auf sie zufuhr.
Da rief Robert plötzlich aus: »Aber das sind ja Marc und Onkel Robinson!«
Der Junge täuschte sich nicht. Sein Bruder und der Seemann hatten aus den gefällten Stämmen ein Floß gebaut und steuerten damit auf die der Grotte am nächsten gelegene Uferstelle zu. Binnen einer halben Stunde würden sie anlegen.
»Los, Jack«, sagte Mr. Clifton, »lauf zu deiner Mutter und melde ihr, daß wir bald zurück sind!« Jack sah zur Felswand hinüber. Die Entfernung schien ihm ein wenig groß. Und dann mußte er ja auch durch die großen Bäume hindurch! Er zögerte.
»Hast du etwa Angst?« fragte Robert ihn spöttisch.
»Na, Jack?« sagte der Vater.
»Dann gehe eben ich!« rief Robert.
»Nein!« entgegnete sein Vater. »Dich brauchen Marc und der Onkel noch.«
Jack sah immer noch stumm nach drüben.
»Mein Junge«, sagte der Vater zu ihm und zog ihn dabei zu sich, »du brauchst keine Angst zu haben. Du wirst bald acht und bist schon ein kleiner Mann. Denk daran, daß du uns helfen sollst, soweit es in deinen Kräften steht. Da darfst du keine Angst haben.«
»Ich gehe schon, Vater«, sagte der Junge und unterdrückte dabei einen Seufzer.
Dann gab er sich einen Ruck und zog mit seinen Fröschen los.
»Du sollst dich nicht über Jack lustig machen«, sagte Mr. Clifton zu Robert. »Mach ihm lieber Mut. Er hat sich gerade selbst überwunden. Das ist gut.«
Dann gingen Harry Clifton und sein Sohn auf die Stelle zu, an der das Floß anlegen würde. Der Onkel und Marc steuerten ihr Fahrzeug geschickt mit langen
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