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Onkel Robinson

Onkel Robinson

Titel: Onkel Robinson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jule Verne
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meinen Rat hören möchte, dann begnügen wir uns heute damit, die Baumgrenze zu erreichen. Dort werden wir die Nacht verbringen, die ruhig und warm zu werden verspricht. Ich kümmere mich um das Nachtlager, und morgen bei Sonnenaufgang versuchen wir dann, den Berg zu besteigen.«
    Es war drei Uhr. Sie schritten weiter das bergige Gelände hinauf. Sollten in dieser Gegend auch wilde Tiere hausen, so war bis dahin nichts weiter von ihnen zu sehen als ihre Spuren, woran niemand etwas auszusetzen hatte. An Wild dagegen mangelte es nicht. Fido scheuchte mehrfach größere Tiere auf, die aber nur schwer zu erkennen waren. Die Pfeile Marcs und Roberts streckten aber ein Pärchen Hühnervögel von der Familie der Fasane nieder. Gewöhnliche Fasane waren es nicht. Sie hatten einen fleischigen Kehllappen und über den Augen zwei schmale, runde Hörner. Ihre Größe entsprach etwa der eines Hahns; das Weibchen war braun, das Männchen dagegen prangte in seinem leuchtend roten, weißgesprenkelten Federkleid. Mr. Clifton wußte den richtigen Namen dieser Vögel zu nennen: Es waren Tragopane. Mrs. Clifton bedauerte sehr, daß sie die beiden nicht hatten lebendig fangen können. Die beiden Fasane wären das Schmuckstück ihres Geflügelhofs geworden, aber man mußte sie eben so nehmen, wie sie nun einmal waren, und sich damit begnügen, sie beim nächsten Halt zu braten.
    Noch ein anderes größeres Tier ließ sich eine Weile zwischen den Basaltfelsen blicken. Sie konnten seiner zwar nicht habhaft werden, aber Mr. Clifton war erfreut, es zu erblicken. Es war eines jener großen Schafe, die in den Bergen Korsikas, Kretas und Sardiniens häufig anzutreffen sind und unter dem Namen Mufflon eine eigene Art bilden. Erkannt hatte es Clifton ohne weiteres an seinen großen, nach hinten gebogenen und an der Spitze abgeflachten Hörnern und seiner unter fahlroten, seidig-langen Haaren versteckten grauen Wolle. Lang blieb das schöne Tier neben einem umgestürzten Baumstamm stehen, so daß Clifton und der Onkel ziemlich nahe herankommen konnten. Das Mufflon blickte sie erstaunt an, als sehe es zum ersten Mal einen Zweibeiner; dann wurde plötzlich Furcht in ihm wach, und es eilte über Lichtungen und Felsen davon, ohne daß der Pfeil des Onkels es erreichen konnte.
    »Auf Wiedersehen!« rief der Onkel ihm auf drollig-bedauernde Weise nach. »Das verfluchte Tier! Nicht um die Hammelkeulen tut es mir leid, sondern um die Wolle! Da ist uns ein Mantel davongelaufen, aber den holen wir uns wieder!«
    »Zumindest versuchen werden wir es«, sagte Clifton, »und wenn es uns gelingt, einige dieser Tiere zu zähmen, dann wird es uns, wie der Onkel so schön sagt, an Hammelkeulen und Mänteln nicht fehlen.«
    Gegen sechs Uhr abends gelangten die Reisenden bei der Baumgrenze an. Sie beschlossen, dort Halt zu machen, das Abendessen zu kochen und zu übernachten. Nun brauchten sie nur noch einen geeigneten Ort für das Nachtlager zu finden, und jeder wurde angehalten, sich danach umzusehen. Marc und Robert gingen in eine Richtung, Clifton und der Onkel in eine andere. Mrs. Clifton, Jack und Belle setzten sich unter eine große Kiefer.
    Marc und Robert waren erst seit wenigen Minuten unterwegs, als ihre Mutter sie eilig zurückkommen sah. Es war ihnen anzusehen, daß sie einen Schrecken bekommen hatten. Mrs. Clifton ging ihnen entgegen.
    »Was ist denn, Kinder?« fragte sie.
    »Rauch«, antwortete Robert, »wir haben zwischen den Felsen Rauch aufsteigen sehen!«
    »Ach«, sagte Mrs. Clifton, »dann müssen hier Menschen sein!« Sie drückte die Kinder an sich und sagte: »Aber was für Menschen? Wilde, Kannibalen?«
    Die Kinder sahen die Mutter wortlos an. Da kamen der Onkel und der Ingenieur zurück. Marc erzählte ihnen, was sich ereignet hatte. Einige Augenblicke lang verharrte die ganze Familie in Schweigen.
    »Wir müssen vorsichtig handeln«, sagte schließlich Onkel Robinson. »Ganz offensichtlich halten sich hier in der Nähe menschliche Wesen auf. Wir wissen nicht, mit wem wir es zu tun haben, und offen gestanden fürchte ich diese Unbekannten mehr, als ich sie herbeiwünsche. Bleiben Sie bei Mrs. Clifton, Herr Ingenieur. Monsieur Marc, Fido und ich werden die Lage erkunden.«
    Der Onkel, der Junge und der treue Hund gingen unverzüglich los. Marcs Herz klopfte ziemlich stark. Der Onkel schritt mit zusammengepreßten Lippen und weit geöffneten Augen vorwärts und ließ äußerste Umsicht walten. Als sie einige Minuten lang in nordöstlicher

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