Onkel Robinson
jeder Seemann nähen konnte, stand ihr dabei mit Rat und Tat zur Seite.
Als sie mit diesen Arbeiten fertig waren, ging der Monat Juni seinem Ende zu. Die Tiere im Geflügelhof gediehen prächtig und wurden von Tag zu Tag mehr. Den Pfeilen der beiden Jungen fielen zahlreiche Agutis und Wasserschweine zum Opfer. Sie wurden sogleich von der Mutter zu Räucherschinken verarbeitet, so daß die Wintervorräte gesichert waren und sie keine Hungersnot mehr zu befürchten hatten. Der Ingenieur dachte auch daran, einen Pferch zu errichten, da er Mufflons und andere größere Tiere fangen und zähmen wollte. Sie beschlossen, zu diesem Zweck eine große Expedition in den Nordteil der Insel zu unternehmen und legten als Datum dafür den 15. Juli fest. Clifton wollte auch feststellen, ob in den Wäldern der Insel nicht ein paar Exemplare des so nützlichen Artocarpus anzutreffen waren, des Brotfruchtbaums, der bis zu diesem Breitengrad hinauf wächst. Brot fehlte noch immer auf ihrem Speiseplan, und der kleine Jack verlangte manchmal danach.
An Weizenmehl sollte jedoch schon bald kein Mangel mehr herrschen. Als Belle nämlich eines Tages ihre Tasche umdrehte, fiel ein Weizenkorn heraus, allerdings nur eines. Erfreut lief das Mädchen sofort zur Grotte, wo die ganze Familie beisammensaß.
»So!« rief der stets spöttische Robert. »Und was sollen wir damit?«
»Lach nicht, Robert«, erwiderte Clifton, »dieses Weizenkorn ist für uns wertvoller als ein Goldklumpen.«
»Das ist wohl wahr«, sagte der Onkel.
»Aus einem einzigen Weizenkorn«, fuhr der Onkel fort, »entsteht eine Ähre, und eine Ähre kann bis zu achtzig Körner enthalten. Das Weizenkorn unserer kleinen Belle verheißt somit eine ganze Ernte.«
»Warum hattest du denn überhaupt ein Weizenkorn in der Tasche?« fragte Mrs. Clifton das kleine Mädchen.
»Weil ich manchmal die Hühner auf der
Vankouver
damit gefüttert habe.«
»Wir werden dein Weizenkorn sorgfältig aufbewahren«, sagte der Ingenieur, »und es im nächsten Frühjahr aussäen. Eines Tages wirst du dann einen Kuchen davon essen können.«
Von dieser Aussicht war Belle so angetan, daß sie davonstolzierte, als sei sie Ceres selbst, die Göttin der Feldfrucht.
Das für die Exkursion im nordöstlichen Inselteil festgelegte Datum rückte allmählich näher. Es wurde beschlossen, daß diesmal Marc bei seiner Mutter, bei Jack und bei Belle bleiben würde. Clifton, der Onkel und Robert wollten sich beeilen und nach Möglichkeit noch am gleichen Abend wieder heimkehren. Am 15. Juli brachen sie um vier Uhr morgens auf. Mit dem Boot fuhren sie auf dem Fluß bis zu der Stelle, an der die nördliche Felswand endete. Dort stiegen sie aus und gingen diesmal nicht um den Sumpf herum zum Ufer, sondern geradewegs in Richtung Nordosten.
Wo sie dahinmarschierten, war kein Wald mehr, denn die Bäume standen nur mehr in einzelnen Gruppen zusammen; es war aber auch noch keine Ebene. Hier und da war der wellige Boden von Sträuchern bewachsen. Clifton entdeckte einige neue Arten, unter anderem den wilden Zitronenbaum, dessen Früchte zwar nicht an die der Provence herankamen, aber genügend Zitronensäure enthielten und auch die gleiche beruhigende Wirkung hatten. Onkel Robinson pflückte ein Dutzend davon, um Mrs. Clifton eine Freude zu machen.
»Bei allem, was wir tun«, sagte der Seemann, »müssen wir nämlich an unsere Hausfrau denken.«
»Wenn ich mich nicht täusche«, erwiderte Clifton, »dann ist hier noch ein Pflanze, die ihr willkommen sein wird.«
»Was, diese Zwergsträucher?« rief Robert aus.
»Ja«, antwortete Clifton, »denn sie gehören zu den Erikagewächsen und enthalten ein aromatisches Öl, das lieblich duftet, pikant schmeckt und eine krampflösende Wirkung hat. Sie heißen Gaultheria und sind in Nordamerika anzutreffen. Sie kennen diese Pflanze doch bestimmt, Onkel Robinson!«
»Ich müßte sie eigentlich kennen, aber ich kenne sie nicht.«
»Unter dem Namen Gaultheria vielleicht nicht, aber als Bergtee oder Kanadatee?«
»Ach so!« rief da der Onkel aus. »Und ob ich sie kenne! Ich glaube, dieser Kanadatee schmeckt ausgezeichnet und steht dem Tee des Kaisers von China in nichts nach. Leider fehlt uns noch der Zucker dazu, aber der wird sich auch noch finden. Sammeln wir also jetzt schon so viel Tee, als hätten wir ein ganzes Feld mit Zuckerrüben und daneben eine Zuckerfabrik.«
Der Ratschlag des Onkels wurde befolgt. Der Tee wurde zu den Zitronen in die Umhängetaschen gepackt.
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