Onkel Robinson
Jemand hatte versucht, sie zu bezwingen und einige Pfähle herauszureißen, die jedoch zum Glück standgehalten hatten.
»Das waren diese verfluchten Affen!« sagte der Onkel. »Während wir nicht da waren, haben sie uns einen Besuch abgestattet. Das sind gefährliche Nachbarn, Monsieur Clifton, da müssen wir uns etwas einfallen lassen.« Nach diesem anstrengenden Tag verspürten die Reisenden ein unwiderstehliches Schlafbedürfnis. Jeder streckte sich auf seinem Lager nieder. Da sie kein Feuer anzündeten, stellten sie diesmal keine Wache auf, und die Nacht verlief auch völlig ruhig. Am nächsten Morgen, es war Mittwoch, der 2. Juni, waren Onkel Robinson und der Ingenieur als erste auf.
»Tja, Monsieur Clifton!« rief der Onkel fröhlich.
»Tja, teurer Freund!« erwiderte der Ingenieur. »Wir müssen uns eben damit abfinden. Da wir nun mal Insulaner sind, müssen wir auch wie Insulaner handeln und unser Leben so einrichten, als sollten wir es ganz und gar hier verbringen.«
»Das nenne ich ein Wort, Monsieur Clifton«, erwiderte der Onkel auf seine vertrauenerweckende Weise. »Und ich sage Ihnen, daß wir es noch richtig gut haben werden! In einen Garten Eden werden wir unsere Insel verwandeln! Ich sage unsere Insel, denn sie gehört uns ja jetzt. Und wenn wir schon nichts mehr von den Menschen zu erwarten haben, so haben wir doch auch nichts von ihnen zu befürchten. Das ist nicht zu verachten. Und Mrs. Clifton, hat sie sich in ihre neue Lage dreingefunden?«
»Ja, Onkel, sie ist eine tapfere Frau, die in ihrem Gottvertrauen nicht wanken wird.«
»Der Herr wird uns nicht verlassen«, sagte der Onkel. »Und die Kinder sind sicher begeistert davon, auf dieser Insel zu sein.«
»Und Sie, Onkel Robinson, fehlt Ihnen denn gar nichts?«
»Nein, oder vielmehr doch, eins schon.«
»Und was?«
»Soll ich es sagen?«
Ja, Onkel.«
»Nun ja, Tabak fehlt mir. Ja, Tabak. Ich würde mir ein Ohr abschneiden lassen, wenn ich wieder mal eine Pfeife rauchen könnte!«
Clifton mußte schmunzeln, als er den Seemann so sehnsüchtig reden hörte. Da er selbst Nichtraucher war, konnte er dieses dringende Bedürfnis nicht verstehen, das durch die Gewohnheit entsteht. Dennoch merkte er sich den Wunsch Onkel Robinsons und war zuversichtlich, ihn eines Tages erfüllen zu können.
Mrs. Clifton hatte um einen Geflügelhof gebeten. Ihr Mann war der Ansicht, sie sollten ihre endgültige Einrichtung auf der Insel mit diesem nützlichen Werk beginnen. So bauten sie rechts von der Palisade eine weitere, hundert Quadratmeter große Einfriedung. Eine Verbindungstür führte von einem Gelände zum anderen. Innerhalb von zwei Tagen waren die Arbeiten beendet. Zwei mehrfach unterteilte Hüttchen aus Ästen warteten nur noch auf ihre Bewohner. Als erstes zog das Steißhuhn-Pärchen ein, das auf der letzten Exkursion lebend gefangen worden war. Die beiden Tiere, denen Mrs. Clifton die Flügel beschnitten hatte, ließen sich leicht zähmen. Als Gefährten wurden ihnen einige Enten vom Seeufer zugesellt, die sich nun mit dem Wasser begnügen mußten, das ihnen jeden Tag in Bambusgefäßen vorgesetzt wurde. Die Enten gehörten jener chinesischen Art an, deren Flügel sich fächerartig öffnen und die mit ihrem prächtig glänzenden Federkleid keinen Vergleich mit einem Goldfasan zu scheuen brauchen.
Den Rest der Woche über wurden Jagden veranstaltet, um den Geflügelhof mit mehr Leben zu erfüllen. Die Kinder fingen zwei truthahnähnliche Hühnervögel mit breitem, rundem Schwanz aus langen Federn. Es waren Alektoren, die schon bald zahm waren. Die verschiedenen Tiere rauften sich allmählich zusammen und vermehrten sich bald in beruhigendem Ausmaß.
Clifton wollte sein Werk noch vervollständigen und richtete an einer Stelle, an der der Fels bröckelig war, einen Taubenschlag ein. Dort wurden ein Dutzend jener Felsentauben untergebracht, von deren Eiern sich die Familie anfänglich ernährt hatte. Die Tiere gewöhnten sich schnell daran, jeden Abend in ihre neue Behausung zurückzukehren. Sie ließen sich leichter zähmen als ihre Artgenossen, die Ringeltauben, die sich nur wild lebend fortpflanzen. Diese ganze Vogelwelt gurrte und gluckte und piepste den ganzen Tag, daß es nur so eine Freude war.
Während der ersten beiden Juniwochen vollführte Onkel Robinson wahre Wunder in der Kunst der Keramik. Mit dem Boot hatten sie ja eine Ladung Ton mitgebracht, der sich zum Anfertigen von einfachen Töpferwaren eignete. Da der Onkel keine
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