Onkel Schwein (German Edition)
Ausdruck schon lange nicht mehr gehört. Ihm war Kent nie schwul vorgekommen; vielleicht ein wenig verklemmt. Er hatte dem aber keine Beachtung beigemessen. Er selbst war auch ein Spätstarter gewesen, was Mädchen anging. Außerdem war er nun, wie sich gezeigt hatte, wirklich nicht der Fachmann im Erkennen von Homosexualität.
Wenn Teever ehrlich war, mochte er den Jungen von Anfang an nicht besonders. Früher hatte er sich dagegen gewehrt, Kinder unsympathisch zu finden. Sie konnten im Grunde nichts für ihr Verhalten; sie imitierten, kopierten und die Abneigung gegen sie war eher mangelnde Sympathie gegenüber ihren Eltern. Später sah Teever die Sache anderes. Auch kleine Kinder hatten einen eigenen Charakter und den erlaubte er sich zu mögen oder eben nicht. Und an Kent war er nie wirklich herangekommen, hatte selten mehr als drei oder vier Sätze mit ihm gewechselt und nur ein sehr oberflächliches Dulden gespürt. Er war eben der Freund der Eltern, nicht mehr. Und für einen guten Onkel war der Altersabstand zu gering, fühlte sich Teever näher an Kent als an dessen Vater.
Trotzdem hatte er sich später für ihn eingesetzt. Aus alter Verbundenheit. Als gute Pfadfindertat. Aus Gründen, die er nicht kannte. Im Innersten verspürte er vielleicht so etwas wie eine Ähnlichkeit. Auch Teever hatte sich früh aus dem Elternhaus zurückgezogen und wer weiß, wie sein Lebensweg verlaufen wäre, wenn er an falsche Freunde und einen Freddy Borg geraten wäre.
Doch bestimmt war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Ursachenforschung. Das konnte warten. Warten wie die Antwort auf Teevers Frage: Glaubte Axelsson an die Schuld seines Sohnes?
„Was weißt du denn über den Hergang?“ wechselte er das Thema.
„Am 2. Dezember hat ein Landbriefträger die Leiche eines Bauern, Folke Waldén hieß er, gefunden. So ein Feierabendlandwirt. Er lebte auf einem Hof bei Ör. Backen, vielleicht kennst du das Haus.“
Teever nickte. Dort hatte er einmal gestanden und einer Autorallye zugesehen. In einer engen Kurve, wo der Schotter wie Pistolenkugeln gespritzt und die Reifen tiefe Spuren in den Sand gefressen hatten. Die schnellen Wagen, alte Volvos, Saabs und Opels auf den engen Waldwegen, immer mit zwei Rädern auf dem Grasrand, haarscharf an den Felsen vorbei, hatten ihn sehr begeistert. In Backen war eine Servicestation gewesen.
„Der Mann war schon ein paar Tage tot. Er hing in einem Stall, da wo er sonst Rehe zum Ausbluten aufgehängt hat.“
„Todesursache?“
„Er ist verblutet. Waldén war übel zugerichtet. Schnitt- und Schusswunden am Körper.“ Leise fügte er hinzu: „Und an den Genitalien.“
„War er nackt?“
„Ja.“
„Vergewaltigt?“
„Bitte?“
„Kann doch sein.“
„Kent ist doch nicht schwul.“
Teever blickte auf. Da war die Antwort, auf die er zuvor gewartet hatte.
Axelsson nahm einen Schluck Mineralwasser. Ein paar Tropfen rannen über sein Kinn. Er schien sich seit Tagen nicht rasiert zu haben. Die Haare waren noch braun, doch der Bart wurde weiß.
„Kent ist nicht allein verhaftet worden. Der andere heißt Freddy Berg. Oder Borg. Freddy jedenfalls. Auch der streitet alles ab.“ Teever lachte leise auf.
„Freddy Borg, klar. Ein alter Bekannter und ein Kumpel von Kent. Klaut gern Autos, verkauft Drogen und prügelt auf Farbige ein. Nettes Früchtchen. Einen Mord hätte ich ihm aber nicht zugetraut.“ Teever trat an das Fenster und schirmte die Augen mit seinen Händen ab. Bei Helgi brannte Licht.
„Wie ist die Polizei auf die beiden gekommen?“ fragte er. Seine Worte ließen die Scheibe beschlagen.
„Zunächst nur auf diesen Berg oder Borg. Ein paar Fingerabdrücke. Dann hat man den Mord - es wurden auch ein paar Sachen geklaut oder zumindest das Haus durchwühlt - mit einem Einbruch ganz in der Nähe in Verbindung gebracht. Dort hat die Polizei Fingerabdrücke von Kent gefunden, später auch Diebesgut in seiner Wohnung. Dann haben sie eins und eins zusammengezählt, die Zeit passte und schon hing Kent auch beim Mord mit drin.“
„Es gibt also keinen Beweis, dass Kent der Mörder ist? Keine Zeugen?“
Axelsson schüttelte heftig den Kopf.
„Ich glaube nicht. Aber man hat bei Borg Sachen von diesem Waldén gefunden.“
„Aber nicht bei Kent?“
„Nein. Nur welche aus dem anderen Haus.“
Axelsson lachte bitter.
Teever sah ihn fragend an.
„Man hat Legosteine bei ihm gefunden. Ausgerechnet Lego. Das hat er als Kind gehasst. Einmal hat er das ganze
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