Onkel Schwein (German Edition)
dass er ständig auf der Suche nach einem Vaterersatz war. Einem Vater, der ihm etwas zutraute. Der jüngere Helgi passte da gar nicht ins Bild, dachte Teever.
Seinem Vater hatte er es nie recht machen können. Was er anpackte, war, wenn nicht falsch, doch immer noch verbesserungswürdig. Ob in der Schule oder im Haushalt, beim Basteln oder im Sport. Sein Vater lobte nicht, wenn er am Haus etwas ausbesserte, sondern wies auf die schiefe Leiste hin oder Farbkleckse. Wenn Teever stolz mit einer 2 in einer Arbeit nach Hause kam, fragte er, ob es nicht auch eine 1 hätte sein können.
Das mangelnde Zutrauen hatte bis in den Tod gehalten. Sein Elternhaus erbte nicht etwa der einzige Sohn, sondern „Rädda Barnen“, der Kinderschutzbund. Es wäre für Torbjörn zu schwer in Stand zu halten, hatte ein näselnder Notar mit fliehender Stirn und breiten Koteletten aus dem letzten Willen vorgelesen und Teever dabei gemustert wie ein Lehrer den größten Dummkopf der Klasse.
Bei Axelsson war dieses Gefühl nie aufgekommen. Teever hatte es gar nicht abwarten können, sich wieder mit ihm zu treffen. Sie pflegten ähnliche Ansichten zur Politik und zur Gesellschaft, schimpften auf das Kapital und lobten den Sozialismus, auch wenn das Privateigentum an Segelbooten nicht angetastet werden durfte. Auch in ihrer Inkonsequenz waren sie sich ähnlich. Schnell hatte sich herausgestellt, dass beide das Segeln liebten. Axelsson war sogar einmal Mitglied einer Olympiamannschaft gewesen und hatte damals eine alte, aber schnelle Yacht in Kalmar liegen. Teever war früher oft mit einem Onkel gesegelt und hatte dabei scheinbar eine ganze Menge gelernt, was Axelsson immer wieder lobend festgestellt hatte.
Auch nachdem Axelsson Eva geheiratet hatte, mit Teevers als Trauzeuge in einem unmodernen Anzug – eine Peinlichkeit bis heute – waren sie oft unterwegs gewesen. Teever musste an den Anzug denken. Den hatte er sich zur Beerdigung seiner Mutter gekauft. Vor ein paar Jahren war er dann in der Altkleidersammlung gelandet.
Mit Eva Axelsson hatte sich Teever gut verstanden. Zumindest, bis ihre Medikamentenabhängigkeit immer mehr Macht über sie gewann. Bis dahin ließ Eva ihrem Mann Freiraum für sogenannte Männertouren. Zum einen, weil eine Behinderung ihr größere sportliche Aktivitäten verwehrte, zum anderen aber auch nicht ganz selbstlos, denn manchmal wirkte sie bei der Rückkehr der beiden nicht ganz klar. Gelegentlich war sie dann grundlos zornig und konnte sogar handreiflich werden und dabei erstaunliche Kräfte entwickeln. Teever hatte sich öfter gefragt, ob es nicht eines Tages gefährlich für den Sohn werden konnte, doch er war zu träge oder zu feige gewesen, dieses Thema mit ihr oder Axelsson zu besprechen. So beruhigte er sich damit, dass der Grund für ihre Fluchten aus der Wirklichkeit in ihrer Gehbehinderung lag. Vor vielen Jahren hatte ein Autounfall ihre hoffnungsvolle Karriere als Eiskunstläuferin jäh gestoppt.
Axelssons Sohn Kent hatte sie ein paar Mal auf die Männertouren begleitet, doch die Begeisterung für das Hobby seines Vaters hatte sich in Grenzen gehalten. Er war lieber zum Angeln oder auf die Jagd gegangen.
Wenn Teever und Axelsson nicht kreuz und quer über die Ostsee gesegelt waren, gelegentlich durch einen alten Segelkumpel von einem der beiden verstärkt, hatten sie zu Fuß Lappland oder Dalarna durchquert. Oft schweigend, jeder seinen Gedanken nachhängend. Beide konnten eine ganze Etappe des Kungsleden oder einen Törn nach Gotland ohne ein einziges Wort zubringen.
In Växjö trafen sie sich regelmäßig auf ein Bier oder eine Cola und gingen ins Kino oder ins Theater. Dann begleitete sie in klaren Momenten auch Eva Axelsson.
Einmal waren sie in der Oper in Göteborg. Teever war kein Opernfan, doch Axelsson hatte Freikarten für eine Aufführung von Wagners „Der fliegende Holländer“ geschenkt bekommen. Die Oper fand Teever entsetzlich, doch immerhin konnten sie sich in der Loge die Zeit mit dem Betrachten der anderen Gäste und dem Schmieden von Plänen vertreiben. Heraus kamen eine Beschwerde durch die Opernhausangestellten und das Versprechen, endlich einen gemeinsamen Traum umzusetzen. Sie wollten an Norwegen entlang nach Spitzbergen segeln. Und das im Winter. In den folgenden Wochen hatten sie viele Stunden mit der Planung verbracht, überlegten, welche Häfen sie anlaufen würden, was am Boot zu verbessern sei, welche Ausrüstung sie anschaffen müssten. Beide planten gern,
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