Onkel Schwein (German Edition)
musste er immer mit Zucker nachsüßen, doch diese war perfekt. Diesmal lächelte Ellen Ammann nach dem Lob. Das machte sie deutlich attraktiver. Helgi hatte recht gehabt. Lippen, Nase, auch die Augen mochten für sich allein eher – Teever suchte im Geiste nach dem Wort, hässlich war zuviel, ungewöhnlich vielleicht – ja, sie mochten ungewöhnlich sein. Die Gesamtkomposition jedoch war gelungen. Er suchte nach etwas, das sie als Lesbe – Lesbierin, Homosexuelle, was sagte man eigentlich korrekt? – erkennbar machte, konnte aber nichts finden.
„Ist das dein Café?“ fragte Teever, obwohl er die Antwort ahnte.
Das Cafe Orient gehörte einer Freundin. Ellen Ammann half gelegentlich aus. Gegen Kost und Logis, wie sie sagte. Seit sie aus ihrer Wohnung geflogen war, hatte sie auf der Straße gelebt, was wegen einer gewissen Freiheit sogar ganz angenehm gewesen war. Doch jeder Sommer geht einmal zu Ende. Jetzt war es kalt.
Teever mochte die junge Frau. Er fragte sie, ob sie sich zu ihm setzen wollte. Sie nickte und nahm einen Stuhl, ließ sich aber nur auf der Kante nieder. Wie zum Sprung bereit.
Er nahm den Zeitungsausschnitt aus seiner Jacke und entfaltete ihn auf dem Tisch.
„Vorsicht“, sagte sie plötzlich und wischte mit dem Ärmel Wasser weg, dass von der Untertasse auf die Tischplatte gelangt war.
„Danke“, sagte Teever und blickte sie lächelnd an.
„Kennst du den?“ fragte er und als er ihren Gesichtsausdruck sah, kannte er die Antwort.
„Das ist das Schwein, dem ich das hier zu verdanken habe.“
Sie beschrieb einen Halbkreis mit den Armen. Teever dachte, dass der Laden doch gar nicht so schlecht sei, ehe ihm klar wurde, dass sie ihre ganze Situation meinte.
Ellen Ammann überflog den Artikel.
„Und? Ich bin jetzt nicht besonders traurig, wenn ich das so sagen darf.“
„Was war denn mit dem Typ? Helgi hat nur ein paar Andeutungen gemacht.“
Das Telefon klingelte. Sie stand auf, meldete sich mit „Café Orient“ und bestätigte scheinbar eine von ihrem Gesprächspartner vorgelesene Liste mit Antworten wie ja, fünf, nein, drei.
Dann kam sie wieder zum Tisch zurück. Teever tippte auf die Zeitung.
„Das war ein übler Kinderficker“, stellte sie drastisch fest. „Er nannte sich Bengt, nicht Folke, und kam zunächst immer nur gelegentlich auf ein Bier oder auch zwei. Hing lange ab. Igli nervte das.“
„Hatte er Kontakte?“
„Du weißt, was dass Lido für eine Bar ist?“
Er nickte bejahend.
Sie schüttelte den Kopf. Teever sah, dass sie ein fein gearbeitetes silbernes Kreuz um den Hals trug. Es musste ihr etwas bedeuten, denn sonst hätte sie es bestimmt schon längst versetzt.
„Der Sack war eindeutig zu alt für die meisten Jungs da. Ein paar hat er wohl mal angesprochen, die kannte ich aber nicht. Ich war mir auch nie sicher, ob er wirklich schwul war.“
Teever sah sie erstaunt an.
„Hast du mit ihm geredet? Barmänner sind doch in Filmen immer eine Mischung aus Kummerkastentante und Diplompsychologe.
Gilt das auch für Barfrauen?“ Sie lachte.
„Man hört sich schon so einiges an“, sagte sie.
„Auch von Waldén?“
„Wenig. Er sagte mal, dass er Schriftsteller sei. Und dass er viel mit dem Flugzeug unterwegs wäre. In einer Hütte am See leben würde.“
Parallelwelten, dachte Teever. Der Bauer Folke wird zum Schriftsteller Bengt. Er schüttelte den Kopf.
„Was?“, fragte sie.
„Ach, ich dachte nur daran, dass er hier jemand ganz anderes war als zu Hause.“
„Da gibt es einige“, erwiderte Ellen Ammann mit traurigem Blick.
„Wer würde nicht auch mal gern in die Haut eines anderen schlüpfen.“
Teever hakte noch mal nach: „Was war denbn nun mit Waldén? Oder Bengt?“
„Was hast du eigentlich mit ihm zu tun“, antwortet sie mit einer Gegenfrage, die Teever schon eher erwartet hatte.
Er erklärte ihr, dass er private Ermittlungen im Auftrag der Eltern eines der Tatverdächtigen anstellte. Erzählte ihr von Kents Vater, auch dass er früher bei der Polizei gewesen wäre (dabei hob sie die Augenbrauen, sagte aber nichts). Er beschrieb auch seine Kanuzentrale (von der sie schon gehört hatte, was Teever aus irgendeinem Grund freute) und erzählte von Helgi. Teever wunderte sich ein wenig über sich selbst, dass er ihr so viel preis gab. Es musste wohl doch etwas an der schon fast sprichwörtlichen Fähigkeit zum Zuhören von Barmännern oder Barfrauen dran sein.
„Helgi ist einfach zu dir gekommen und wohnen geblieben?“ fragte
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