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Onkel Schwein (German Edition)

Onkel Schwein (German Edition)

Titel: Onkel Schwein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frans Brood
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sagte der Junge und fügte fragend hinzu: „Bist du ein Freund von ihm?“
    Bin ich ein Freund von Kent, ging es Teever durch den Kopf. Gute Frage: Eigentlich nicht, und doch versuche ich, ihm zu helfen. Oder helfe ich nur seinem Vater? Doch dessen Freund bin ich auch nicht mehr.
    Der Junge schien sich zu wundern, warum Teever für so eine leichte Frage so viel Zeit bis zur Antwort brauchte.
    „Ich kenne ihn von früher“, sagte Teever ausweichend, „wo wohnt er? Ich kann seinen Namen hier nirgends finden.“ Er zeigte mit den Handschuhen auf die Schilder.
    „Der hat kein Schild.“ Jetzt wies der Junge mit der Hand auf einen Namen. Mwuatuna glaubte Teever zu lesen.
    „Wo ist denn Kent?“ fragte Teever.
    „Im Gefängnis“, antwortete der Junge. „Der hat einen abgemurkst.“ Dabei grinste er und entblößte eine Reihe strahlend weißer Zähne, während er mit der Hand so tat, als würde er sich die Kehle durchschneiden. Der Gedanke, ein Nachbar wäre ein Mörder, schien den Jungen nicht zu beunruhigen.
    „Woher weißt du das?“ fragte Teever und war sich nicht sicher, ob ihn die fröhliche Art und Weise, wie der Junge sein Wissen ausdrückte, überraschte.
    „Von Pia.“ Er sagte es so, als ob jeder Pia kennen müsste. Ein Freund von Axel ganz sicher. Teever nickte wissend.
    Das Mädchen wurde langsam ungeduldig und forderte ihren Bruder auf, endlich zu kommen. Der Junge ging ohne Verabschiedung, auch wenn Teever glaubte, ein kurzes Nicken gesehen zu haben. Sehr auskunftsfreudig, der Kleine, dachte er und stellte einen Fuß in die Tür, ehe sie zuschnappen konnte. Der Junge und das Mädchen verschwanden hinter einem verlassenen Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Die Fenster waren eingeschlagen und nur teilweise mit Brettern vernagelt worden. Es sah trostlos aus.
    Im Treppenhaus stand eine alte Kinderkarre. Darüber befanden sich Briefkästen, von denen nur ganz wenige abgeschlossen waren. Hier gibt es kein Briefgeheimnis, dachte Teever. Auch der Kasten von Mwuatuna stand offen. Der Inhalt quoll hervor, nur notdürftig von der rostigen Tür gehalten. Auf dem Boden sah Teever weitere Post, zumeist Flugblätter von Pizzerias oder chinesischen Restaurants. Teever nahm den Stapel heraus und blätterte. Werbung, ein Brief von den Elektrizitätswerken, ein dicker Umschlag von der Wohnungsbaugenossenschaft. Nichts Privates.
    Teever stopfte alles zurück und stieg die Stufen hinauf. Ich hätte den Jungen fragen sollen, in welchem Stockwerk Kent wohnt, schimpfte er auf sich selbst. Als er ganz oben war, keuchte er wie eine Dampflok und nahm sich vor, etwas für die Fitness zu tun. Mal wieder.
    Im Türrahmen steckte eine Visitenkarte von einem Hautarzt, auf die jemand mit dickem schwarzen Stift Mwuatuna geschrieben hatte. Neben der Tür standen ausgetretene Turnschuhe und ein Paar polierte Springerstiefel.
    Keine Chance, dachte Teever mit Blick auf das Schloss. Irgendwo im Haus schrie ein Kind. Ein Mann fing in einer Sprache, die Teever noch nie gehört hatte, an zu brüllen. Eine Frauenstimme versuchte offenbar, den Schreihals zu beruhigen.
    Mehr in Gedanken, ohne sich dessen bewusst zu sein, schon im Gehen, drückte Teever an dem Türknauf. Im selben Augenblick öffnete sich die Tür. Er verlor den Halt und stürzte in die dunkle Wohnung. Jemand schrie erschreckt auf.
    Pavel Zavadil war stolz darauf, noch keinen einzigen Tag wegen Krankheit gefehlt zu haben. Nicht einmal, als ihn der Irrenarzt für eine Woche zu Hause lassen wollte, nachdem er diese Leiche in Backen gefunden hatte. Sein Chef hatte ihn förmlich gezwungen, sich mit einem Psychologen zu unterhalten. Als ob so etwas einen Zavadil umhauen könnte.
    Ein gewaltiger Niesanfall überkam ihn. Er fingerte mit der linken Hand eine Packung Papiertaschentücher aus einer kunstledernen Umhängetasche auf dem Beifahrersitz. Mit einer Hand schüttelte er ein Taschentuch auseinander, während er mit der anderen den Wagen lenkte. Er schnaubte so kräftig aus, dass ihm für einen kurzen Moment schwindelig wurde. Instinktiv trat er auf die Bremse, was sein Hintermann natürlich nicht ahnen konnte. Hupend überholte ihn ein Audi mit einem wild gestikulierenden Fahrer. Zavadil hielt an einer Bushaltestelle. Mit der Hand befühlte er seine Stirn. Ich habe Fieber, dachte er und nahm sich vor, auf demRückweg ein Erkältungsbad zu kaufen und sich am Abend gemütlich in die Wanne zu legen. Dann noch einen schönen heißen Tee, vielleicht mit Honig und etwas Rum,

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