Onkel Toms Hütte
beide nicht entmutigen«, sagte St. Clare, »aber ich würde meinen, Tom, es wäre besser, wenn du ihn mich schreiben ließest. Ich schreibe ihn dir, wenn ich von meinem Ausritt zurück bin.«
»Es ist sehr wichtig, daß er schreibt«, erklärte Eva, »weil seine Herrin Geld schicken will, um ihn loszukaufen, weißt du, Papa. Er hat mir erzählt, daß sie ihm das versprochen haben.«
St. Clare dachte im stillen, daß es sich hier wieder einmal um ein Versprechen handelte, wie es gutherzig Eigentümer ihren Sklaven geben, um ihren Schrecken vor dem Verkauf zu mildern, ohne dabei die Absicht zu hegen, die so erregte Erwartung auch zu erfüllen. Aber davon ließ er nichts verlauten, sondern befahl nur Tom, die Pferde für den Ritt zu satteln.
Am Abend wurde Toms Brief in gehöriger Form geschrieben und sicher auf dem Postamt abgegeben.
Miß Ophelia setzte ihre Bemühungen um die Wirtschaft unbeirrt fort. Im Haushalt war man – von Dinah abwärts bis zum jüngsten Gemüse – allgemein der Ansicht, daß Miß Ophelia völlig ›komisch‹ sei, eine Bezeichnung, mit der im Süden die Dienerschaft umschreibt, daß ihre Herrschaft ihnen nicht recht zusagt.
Dagegen erklärte der höhere Haushaltszirkel – Adolf, Jane und Roland – übereinstimmend, daß sie keine Dame sei; Damen rackerten sich nicht so ab. Damen hätten etwas ›Feines‹, und sie waren überrascht, daß sie eine Verwandte des Mr. St. Clare war. Selbst Marie behauptete, es sei ermüdend, Kusine Ophelia immer so in Tätigkeit zu sehen. Und in der Tat war Miß Ophelias Fleiß ohne Ende und gab alle Ursache zu diesen Klagen. Sie säumte und nähte vom Morgen bis zum Abend mit einer Energie, als würde sie beständig zur Eile angetrieben; war dann das Tageslicht verblaßt, kam blitzschnell das stets bereite Strickzeug zum Vorschein, und schon ging es wieder los, und sie war so tätig wie vorher. Es war wirklich sehr anstrengend mitanzusehen.
19. Kapitel
Topsy
Eines Morgens, als Miß Ophelia ihren häuslichen Pflichten nachging, vernahm man St. Clares Stimme, der unten an der Treppe nach ihr rief.
»Komm doch mal herunter, Kusine, ich habe dir etwas zu zeigen.«
»Was denn?« fragte Miß Ophelia und kam mit der Näharbeit in der Hand herunter.
»Ich habe etwas für dein Arbeitsgebiet gekauft – da sieh«, sagte St. Clare, und mit diesen Worten zog er ein kleines Negermädchen herbei, das ungefähr acht oder neun Jahre alt war.
Die Kleine war pechschwarz, und ihre glänzenden Augen, glitzernd wie Glasperlen, schweiften blitzschnell über alle Geräte im Zimmer. Ihr Mund stand vor Staunen über alle die Wunder im Zimmer ihres neuen Herrn halb offen und ließ zwei Reihen blendend weißer Zähne sehen. Das wollige Haar war in straffe, kleine Zöpfchen geflochten, die nach jeder Richtung abstanden. Der Ausdruck ihres Gesichtes zeigte eine sonderbare Mischung von Schlauheit und Gerissenheit, über den sich wie eine Art Schleier ein Ausdruck beflissener Frömmigkeit legte. Sie war nur in ein Stück schmutzige Sackleinwand gekleidet; unterwürfig stand sie mit gefalteten Händen da. Über ihrer ganzen Erscheinung lag etwas merkwürdig Koboldhaftes – etwas, wie es Miß Ophelia später erklärte, ›völlig Heidnisches‹, was die gute Dame mit Entsetzen erfüllte. Sich an St. Clare wendend, sprach sie:
»Augustin, wozu in aller Welt hast du das Ding hergebracht?«
»Einzig dazu, daß du es erziehst und ihm den rechten Weg weisest. Sie kam mir wie eine komische kleine Vogelscheuche vor. He, Topsy«, setzte er hinzu und pfiff, wie man einem Hunde pfeift, »sing einmal etwas vor, und zeige, wie du tanzen kannst.«
Die schwarzen Augen blitzten in drolliger Komik, und das kleine Ding fing an, mit klarer, schriller Stimme eine seltsame Negermelodie zu singen, wozu sie mit Händen und Füßen den Takt schlug, herumwirbelte, in die Hände klatschte und in einem wilden, phantastischen Takte die Knie aneinanderschlug und dabei jene gutturalen Kehllaute hervorstieß, die für die Negermusik charakteristisch sind; schließlich landete sie nach ein oder zwei Luftsprüngen und einem langgezogenen Schlußtriller, der so merkwürdig und unwirklich klang wie der Pfiff einer Eisenbahn, plötzlich auf dem Teppich und stand wieder mit gefalteten Händen und einem höchst scheinheiligen Gesichtsausdruck feierlicher Demut da, zu dem nur die listigen Seitenblicke nicht recht passen wollten, die sie aus den Augenwinkeln um sich warf.
Miß Ophelia war stumm vor Staunen.
St.
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