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Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
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eigenes Licht und schien sich in seinen fernsten Winkeln in undurchdringliches Dunkel und Geheimnis zu verlieren. Eine zitronenförmige 6-Watt-Birne, wie sie in den Seitenleuchten unseres Autos verwendet wurde, verband ich mit einer 9-Volt-Batterie, die für eine elektrische Laterne bestimmt war. Ziemlich ungeschickt brachte ich einen Schalter an der Wand an und verband ihn durch Kabel mit der Glühlampe und der Batterie. Ich war absurd stolz auf diese kleine Installation und zeigte sie Besuchern, die ins Haus kamen. Doch ihr Licht drang in alle Ecken des Schranks und vertrieb mit der Dunkelheit auch sein Geheimnis. Zu viel Licht, so erkannte ich, war nicht unbedingt von Vorteil - jedenfalls nicht dort, wo man den Orten lieber ihr Geheimnis ließ.
KAPITEL SECHS

IM LAND DES ANTIMONITS
    Ich glaube, ich war eine Art Einzelgänger in meiner neuen Schule in London namens The Hall, zumindest in der ersten Zeit. Mein Freund Eric Kom, der mich noch aus der Vorkriegszeit kannte wir waren fast gleich alt und wurden beide von unseren Kindermädchen zum Spielen in den Brondesbury Park gebracht -, hatte den Eindruck, dass etwas mit mir geschehen sei. Vor dem Krieg sei ich aggressiv und normal gewesen, sei Prügeleien nicht aus dem Weg gegangen, hätte mich gewehrt und meine Meinung gesagt; nun wirkte ich auf ihn verängstigt, eingeschüchtert, allen Streitereien und Unterhaltungen ausweichend, zurückgenommen und Distanz haltend. Tatsächlich hielt ich fast in jeder Hinsicht Distanz zur Schule, denn ich hatte Angst vor Schikanen und Schlägen und verstand nur langsam, dass Schulen auch angenehme Orte sein konnten. Immerhin wurde ich überredet (oder gezwungen - das weiß ich nicht mehr), den Cub Scouts (Wölflingen) beizutreten. Man meinte, das sei gut für mich, würde mich in engeren Kontakt zu Gleichaltrigen bringen und mir «notwendige» Fertigkeiten für das Leben in freier Natur vermitteln - Feuer machen, Zelte aufschlagen oder Spuren lesen. Obwohl nicht ganz ersichtlich war, wie man im städtischen London von solchen Fertigkeiten Gebrauch machen sollte. Und aus irgendeinem Grund lernte ich sie auch nie richtig. Ich hatte keinen Orientierungssinn und kein visuelles Gedächtnis - bei Kim-Spielen, wo man sich eine Reihe verschiedener Dinge einprägen musste, schnitt ich so schlecht ab, dass einige mich für geistig behindert hielten. Von mir geschichtete Holzstöße ließen sich nie entzünden oder gingen nach wenigen Sekunden aus, meine Versuche, mit zwei Stäben Feuer zu machen, indem ich sie aneinander rieb, führten nie zum Erfolg (obwohl ich das eine Zeitlang vertuschen konnte, indem ich mir das Feuerzeug meines Bruders auslieh), und meine Bemühungen, ein Zelt aufzuschlagen, ernteten allgemeine Heiterkeit.
    Was mir bei den Cub Scouts wirklich gefiel, war die Tatsache, dass wir alle die gleiche Uniform trugen (was mir ein bisschen meine Befangenheit nahm, mein Gefühl, anders zu sein), die Anrufung von Akela, dem grauen Wolf, und unsere Identifikation mit dem Wolfsjungen im Dschungelbuch - ein edler Gründungsmythos, der die romantische Seite meines Wesens befriedigte. Doch das konkrete Pfadfinderleben gestaltete sich, jedenfalls für mich, auf der ganzen Linie als ein totaler Fehlschlag.
    Das Ganze erreichte seinen Kulminationspunkt, als wir eines Tages aufgefordert wurden, ein Damper (Stockbrot) zu backen, eines jener speziellen Fladenbrote, die Baden-Powell, der Gründer der Pfadfinderbewegung, bei seinem Aufenthalt in Afrika gebacken hatte. Damper, so hatte man mir gesagt, seien harte, flache Scheiben aus ungesäuertem Brotteig, doch als ich in unserer Küche nach Mehl suchte, fand ich den Topf leer. Ich mochte nicht fragen, ob es noch irgendwo Mehl gab, oder welches kaufen - schließlich wurde von uns erwartet, dass wir findig waren und uns selbst zu helfen wussten. Da entdeckte ich zu meiner Freude draußen ein bisschen Zement, den Maurer zurückgelassen hatten. Was ich mir eigentlich dachte, als in mir die Überzeugung reifte, ich könne Zement anstelle von Mehl nehmen, weiß ich heute nicht mehr, jedenfalls nahm ich den Zement, verarbeitete ihn zu einer Paste, würzte ihn mit Knoblauch, formte ihn zu einem Damperähnlichen Oval und buk ihn im Ofen. Er wurde hart, sehr hart - aber schließlich waren auch Damper sehr hart. Als ich ihn am folgenden Tag mit zum Wölflingstreffen nahm und Mr. Baron, dem Pfadfinderführer, aushändigte, war der erstaunt, aber auch erfreut (glaube ich) über sein Gewicht, das eine

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