Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Onkel Wolfram - Erinnerungen

Onkel Wolfram - Erinnerungen

Titel: Onkel Wolfram - Erinnerungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Sacks
Vom Netzwerk:
Aktivatoren hinzufügte - Europiumoxid, Erbiumoxid, Terbiumoxid. Auch wenn sie nur in winzigen Mengen vorhanden seien, so erzählte er, verliehen sie gewissen Mineralien ihre besondere Fluoreszenz.
    Es gab aber auch Stoffe, die sogar im absoluten Reinzustand fluoreszierten, was in besonderem Maße für die Uransalze (genauer, die Uranylsalze) galt. Selbst wenn man Uranylsalze in Wasser auflöste, waren die Lösungen fluoreszierend - eine Konzentration von eins zu einer Million genügte. Diese Fluoreszenz ließ sich auf Glas auftragen, so war von der Mitte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Uranglas oder «Kanarienglas» sehr beliebt in englischen Häusern (die Glasart, die mich im Farbfenster unserer Haustür so fasziniert hatte). Kanarienglas war gewöhnlich gelb, wenn man hindurchblickte, fluoreszierte aber unter dem Einfluss der kürzeren Wellenlängen des Tageslichts in kräftigem Samaragdgrün, daher schien es oft zu changieren: Je nach Lichteinfall wechselte es zwischen Grün und Gelb. Und obwohl die farbigen Glasfenster unserer Haustür bei einem Bombenangriff zerstört wurden (man ersetzte sie durch hässliches, langweiliges Weißglas), hat sich ihre Farbe meinem Gedächtnis, vielleicht nostalgisch verstärkt, mit außerordentlicher Lebhaftigkeit eingeprägt - besonders nachdem mir Onkel Abe ihr Geheimnis erklärt hatte. [55]
    Zwar hatte Abe sich viel mit der Entwicklung von Leuchtfarben beschäftigt, später auch mit der Herstellung von Leuchtstoffen für Kathodenstrahlröhren, doch sein Hauptinteresse galt wie bei seinem Bruder Dave der Beleuchtung. Seit seiner Jugend hegte er die Hoffnung, es würde eines Tages möglich sein, ein kaltes Licht zu entwickeln, das so ergiebig, angenehm und regulierbar sei wie heißes. Während sich Onkel Wolframs Sinnen und Trachten ganz auf das Glühlicht richtete, war Onkel Abe von Anfang an klar, dass sich ohne Elektrizität kein wirklich starkes kaltes Licht erzeugen ließ, dass also, mit anderen Worten, die Elektrolumineszenz der Schlüssel zum Erfolg war.
    Dass verdünnte Gase und Dämpfe leuchteten, wenn sie elektrisch geladen wurden, war seit dem 17. Jahrhundert bekannt, als man beobachtete, dass das Quecksilber in einem Barometer durch Reibung am Glas elektrisch aufgeladen werden konnte, woraufhin in dem verdünnten Quecksilberdampf des Fast-Vakuums darüber ein schönes bläuliches Leuchten zu beobachten war. [56]
    Durch die starken Entladungen der Induktionsspulen, die in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfunden wurden, gelang es, lange Säulen von Quecksilberdampf zum Leuchten zu bringen. (Becquerel hatte schon früh die Vermutung geäußert, die Beschichtung der Entladungsröhre mit einer fluoreszierenden Substanz könne sie für die Beleuchtung geeigneter machen.) Doch als 1901 die Quecksilberdampflampen für spezielle Zwecke eingeführt wurden, waren sie gefährlich und unzuverlässig, und ihr Licht erwies sich - ohne eine fluoreszierende Beschichtung als zu blau, um für den privaten Gebrauch infrage zu kommen. Alle Versuche, die vor dem Ersten Weltkrieg unternommen wurden, um solche Röhren mit fluoreszierendem Pulver zu beschichten, scheiterten an einer Vielzahl von Problemen. Unterdessen erprobte man andere Gase und Dämpfe: Kohlendioxid erzeugte ein weißes Licht, Argon ein bläuliches, Helium ein gelbes und Neon natürlich ein karminrotes. In den zwanziger Jahren wurde es in London üblich, Neonröhren für Reklamezwecke einzusetzen, doch erst Ende der dreißiger Jahre nahm die Verwendung von Leuchtstoffröhren (mit einer Mischung aus Quecksilberdampf und Edelgas) wirtschaftlich nennenswerte Ausmaße an, eine Entwicklung, an der Abe beträchtlichen Anteil hatte.
    Um zu zeigen, dass er kein unbelehrbarer Fanatiker war, hatte Onkel Dave Leuchtstoffröhren in seiner Fabrik anbringen lassen, und die beiden Brüder, die in ihrer Jugend den Kampf zwischen Gas und Elektrizität erlebt hatten, stritten jetzt gelegentlich über die Vor- und Nachteile von Glühlampen und Leuchtstoffröhren. Abe meinte, auf die Glühlampen warte das Schicksal der Gasbeleuchtung, Dave hielt dagegen, Leuchtstoffröhren würden immer unförmig bleiben und nie so bequem und kostengünstig wie Glühlampen werden. (Beide wären wohl sehr überrascht, wenn sie sehen könnten, dass heute, fünfzig Jahre später, die Leuchtstofflampen zwar alle Lebensbereiche erobert haben, die Glühlampen aber trotzdem so beliebt sind wie eh und je und dass beide Beleuchtungsformen eine friedliche

Weitere Kostenlose Bücher