Online Wartet Der Tod
wurde. Sie bestellte einmal das Buch des Enoch zu ihren Händen ins Polizeirevier.
Eine Stunde später saß der Mann, der sich Enoch nannte, an seinem speziellen Computer und feilte an einem Brief. Was die Polizei im Sinn hatte, erkannte er daran, wie die Medien sich auf das Thema stürzten, aber er würde der Sache noch einen besonderen Kick geben. Das hatte dieser fette, behaarte Fernsehkoch immer gesagt. Eine Frau aus der Nachbarschaft – die ihm ständig in den Ohren gelegen hatte, er solle im Durchgang nicht rauchen – hatte sich die Kochshow ständig angesehen. Geben Sie der Sache einen Kick. Wumm. Er hatte der räudigen Katze der alten Schachtel in dem Durchgang unzählige Kicks gegeben. Mit seinen Stiefeln. Überfahren – von wegen!
Er überflog den Text auf seinem Bildschirm noch einmal. Damit würde er die blonde Polizistin schön aus der Fassung bringen. Schon ein paar Mal war er versucht gewesen, auf den lächerlichen kleinen Flirt zu reagieren, den sie ihm geschickt hatte. Er hatte sogar erwogen, sie das nächste Opfer sein zu lassen – anstelle von Megan. Aber dieser Brief war besser. Vorerst.
Er speicherte den Brief auf seiner Festplatte, bevor er den Druckbefehl gab. Dann streifte er Latexhandschuhe über, nahm das Blatt aus dem Drucker, faltete es und schob es in einen Umschlag. Um die Klebeflächen zu befeuchten, benutzte er einen Fingerknöchel, den er zuvor unter den Wasserhahn gehalten hatte. Schließlich suchte er die Telefonnummer der New York Daily Post heraus.
28
»Sie wollen nicht wirklich dieses ganze Ding durchlesen, oder?«
Ellie lutschte an einem Teelöffel Nutella. In der anderen Hand hielt sie die Paperbackausgabe vom Buch des Enoch, das Flann misstrauisch musterte.
»Nonsens liest sich erstaunlich schnell«, erwiderte sie. »Ich versuche einfach ein Gefühl dafür zu kriegen, womit wir es zu tun haben.«
»Und haben Sie schon ein Täterprofil erstellt, über das wir die ehrbaren Bürger von New York City unterrichten können?«
Mit spöttischer Miene erwiderte sie: »Ich neige zu der Annahme, dass es sich nicht um einen religiösen Fanatiker im engen Sinn handelt. Bisher hat er sich zu schlau gezeigt, zu sorgfältig, zu technikversiert, als dass man ihn für einen obdachlosen Schizo halten könnte, der sich vom Buch des Enoch inspiriert fühlt.«
»Einverstanden.«
»Gut. Aber warum benutzt er dann den Namen Enoch? Weil er Spielchen liebt. Er wünscht sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit uns. Er lässt zwischen Hunter und Davis ein ganzes Jahr verstreichen, um ein Muster zu erzeugen. Er hinterlässt sogar einen E-Mail-Ausdruck in Davis’ Manteltasche als Hinweis für uns. Als er Megan tötet, will er nicht mehr subtil sein. Er platziert den direkten Verweis auf FirstDate auf dem Leichnam – loggt sich danach aber nicht mehr ein. Ihm war klar: Sobald wir Megan gefunden haben, wissen wir, dass Enoch sowohl zu Davis als auch zu Megan Kontakt hatte. Sich in diesen Account einzuloggen, wäre für ihn also zu riskant gewesen. Aber der Benutzername selbst ist auch nur eine Ebene in dem Spiel. Er hat ihn mit Sicherheit nicht zufällig gewählt.«
»Anfangs war ich ja skeptisch, aber inzwischen denke ich, Sie sind da auf was gestoßen. Der Name ist seltsam, das stimmt. Andererseits ist Ihnen der Mann aufgefallen, weil sein Profil so durchschnittlich war.«
»Genau. Absolut nullachtfünfzehn. Keinerlei Persönlichkeit. Aber statt der üblichen langweiligen Bezeichnungen wie ›Looking for Love‹ oder ›Sleepless in SoHo‹ sucht er sich diesen seltsamen Namen Enoch aus. Und dass er Richard Hamlines Kreditkarte benutzt hat, um seinen FirstDate-Account einzurichten?« Ellie hielt das Buch hoch. »Dies ist die Standardübersetzung. Seit fast hundert Jahren im Umlauf. Schauen Sie mal, wie der Übersetzer heißt.«
»R. H. Charles. Sie meinen, das ist kein Zufall?«
»Jedenfalls fällt es mir auf. Und das genau will der Typ – dass wir dasitzen und uns fragen, was ihn treibt. Er nimmt uns in die Mangel.«
»Und fallen Sie nicht genau darauf herein, indem Sie jetzt dieses alberne Buch lesen?«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag? Er wird sich als Enoch nicht wieder einloggen, also werden wir keinen Computer lokalisieren können. Das Postfach, das er für die Kreditkarte benutzt hat, war eine Sackgasse. Und über die Internetcafés sind wir auch nicht weitergekommen.«
Sie hatten den ganzen Vormittag damit zugebracht, das Personal in den verschiedenen Cafés zu befragen,
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