Online Wartet Der Tod
war. Sein Herausgeber sagte immer, Zeitungen verkauften sich über Bilder. Er sah sich das Porträt von Caroline Hunter an, das am Tag nach der Tat durch die Nachrichten gegangen war. Sie war noch hübscher als Davis und Quinn und von daher wohl kaum zu überbieten, schon gar nicht von einer Polizistin. Er öffnete die Google-Startseite und begann nach Fotos zu dem Namen Ellie Hatcher zu suchen.
Zwölf kleine Vorschaubilder erschienen auf dem Schirm. Die meisten zeigten einen preisgekrönten Quilt, den eine Frau namens Ellie Hatcher angefertigt hatte. In der untersten Reihe gab es ein Foto von einer blonden Frau in weißer Bluse und schwarzem Jackett. Darunter stand: »Die Angehörigen des Detectives, der den College-Hill-Würger gejagt hat, trauern. Mehr.« Dazu gab es einen Link zur Website des People Magazine. Diesen Link klickte er an.
Er hatte die Berichterstattung über den College-Hill-Würger damals durchaus verfolgt, aber doch nicht gründlich genug, um sich zwei Jahre später noch an die dazugehörigen Fotos zu erinnern. Mit großen blauen Augen und vollen rosigen Lippen in einem herzförmigen Gesicht schaute ihn von seinem Bildschirm die Frau an, an die er während der vergangenen siebenundzwanzig Stunden alle zehn Minuten gedacht hatte: Ally, Nachname unbekannt, der er versprochen hatte, dass er sich nie wieder bei ihr melden werde.
»Wer ist denn die Süße?« Peter blickte in das lächelnde Gesicht und die dunklen Augen von Justine Navarro, Praktikantin von der New York University, deren Zunge gepierct und deren Outfits in der Regel unbehaglich offenherzig waren. Jetzt trug sie die übliche Hüfthose und einen eng anliegenden weißen Pulli mit sehr tiefem Ausschnitt.
»Ob du’s glaubst oder nicht, sie ist Detective beim NYPD.«
»Die würde ich nicht von der Bettkante stoßen.«
Peter hatte nicht die geringste Ahnung, ob Justine lesbisch war, bisexuell oder einfach das unbefangene Produkt einer Generation, die nichts dabei fand, es auch mal mit gleichgeschlechtlichem Sex zu versuchen. Er hatte Besseres zu tun, als über diese Frage nachzudenken. Aber sie hatte Geschmack, das musste er zugeben. Er hatte Ellie Hatcher auch nicht von der Bettkante gestoßen, obwohl ihre Anwesenheit dort an die schreckliche Bedingung geknüpft gewesen war, dass es sich um eine einmalige Angelegenheit handelte. Und jetzt bekam er diese Frau einfach nicht aus dem Kopf.
»Ich stell dir in einer Minute einen Anruf durch«, sagte Justine. »Den solltest du unbedingt annehmen.«
Zu den Aufgaben der Praktikanten gehörte es, an das Telefon zu gehen, über das die Allgemeinheit auf kriminelle Machenschaften hinweisen konnte. Das hatten die Reporter eingeführt, die es sattgehabt hatten, sich unentwegt das absolut nicht nachrichtenfähige Gemecker über herrenlose Autos, laute Tanzclubs, Drogendeals auf offener Straße und hin und wieder ein illegales exotisches Haustier anhören zu müssen. Sicher, ein Löwe, der in einer Wohnung gehalten wurde, war gut für die Auflage, aber die Praktikanten waren sehr wohl in der Lage, zu erkennen, welche Tipps es wert waren, weitergeleitet zu werden, und welche nicht.
»Ich nehme alle Anrufe an«, sagte er.
»Das tust du nicht. Du behauptest das, aber ich erwische dich andauernd beim Schummeln.«
Peter war erst Mitte dreißig, doch er ertappte sich jetzt schon immer häufiger dabei, dass er die jungen Leute nervig fand. »Mag sein. Und, es war doch nie wichtig, oder?«
»In diesem Fall könnte es wichtig sein. Der Typ sagt, er hat was zu diesem Serienmörder. Einen Tipp exklusiv für dich.«
Peter gab sich keinen überzogenen Hoffnungen hin. Das war mit Sicherheit nur einer von vielen Anrufen, die auch andere Reporter von irgendwelchen Wichtigtuern erhalten würden. Er starrte immer noch Ellie Hatcher an und fragte sich, ob sie auch solche Anrufe bekam. »Dann stell ihn gleich durch.«
»Habe ich ja versucht. Ich habe die ganze Zeit gewartet, dass du endlich mal rangehst, und währenddessen so getan, als müsste ich erst deine Nummer raussuchen. Dann hat er gesagt, er ruft in neunzig Sekunden noch mal an und will dann sofort durchgestellt werden. Sie hastete zurück an ihren Schreibtisch. »Wir haben noch fünf Sekunden.«
Das konnte vielleicht doch interessant werden. Peter beobachtete die digitale Zeitanzeige an seinem Telefon. Gleichzeitig behielt er Justine im Auge, die an ihrem Tisch saß und eine Hand schon am Hörer hatte. Fünf, vier, drei zwei, eins. Einen
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