Online Wartet Der Tod
aller Profile ihren Seelengefährten gefunden zu haben.
Was genau an Megan hatte seine Neugier geweckt? Er hatte alle Zeit der Welt, das herauszufinden, indem er sie besser kennenlernte – aus der Distanz.
Jess lag ausgestreckt auf dem Sofa, als Ellie nach Hause kam. Er trug ein weites kariertes Hemd und verwaschene Jeans. Ohne die frischen Klamotten und die Dose, aus der er sich Käse direkt in den Mund sprühte, hätte sie glauben können, dass er sich den ganzen Tag nicht vom Fleck gerührt hatte.
Sie hängte ihren Daunenmantel an den Haken neben der Tür, schüttelte die fleecegefütterten Wildlederstiefel ab und nahm sich eine Flasche Rolling-Rock-Bier aus dem Kühlschrank. Sie schob Jess’ Füße zur Seite, ließ sich neben ihn fallen und setzte die Flasche an.
»Die New Yorker sind allesamt Waschlappen«, verkündete sie schließlich, pustete sich die Ponyfransen aus der Stirn und schälte sich aus der dicken Strickjacke mit Zopfmuster.
Per Fernbedienung schaltete Jess die Motorradshow, die er sich angesehen hatte, auf tonlos. »Das hört man selten.«
»Es liegt am Schnee. Ein paar kleine, schüchterne Flöckchen, und alle drehen durch. Die Fahrer können nicht fahren. Die Fußgänger warten wie immer auf der Straße darauf, dass die Ampel umspringt. Und dann regen sie sich auf, wenn irgendein Dummbeutel von Fahrer durch den Matsch geradewegs in sie reinschliddert. Allein auf dem Weg von der U-Bahn hierher habe ich drei Beinahe-Zusammenstöße gesehen. Gar nicht zu reden von den überfüllten Zügen …«
»Du hörst dich schon an wie eine echte New Yorkerin, El, gar nicht zu reden von …«
»Aber ich kann bei Schnee fahren. Und laufen. Und mich richtig dafür anziehen, zum Henker. Weißt du, wie viele Frauen mit Highheels ich in der Bahn gesehen habe? Drei Wintertage in Kansas, und solche Leute würden zur Vernunft kommen.«
»Nicht nur in dieser Hinsicht.«
Sie stießen an und Ellie leerte ihre Flasche. »Verdammt. Zwei Wochen ohne Zigarette, und ich giere immer noch danach. Möchtest du was?«, fragte sie und ging noch einmal an den Kühlschrank. Er gab seine Bestellung auf, und kurz danach ließ Ellie sich mit einem weiteren Bier und ihrem Laptop wieder auf dem Sofa nieder. Sie erzählte Jess, dass sie Taylor und Mr. Right gefunden hatten. »Von Enoch hab ich nach wie vor nichts.«
»Was für ein Name ist das eigentlich?«, fragte Jess. »Klingt ein bisschen nach Promi-Kind, wie Apple oder Blanket.«
Ellie klappte den Rechner auf, googelte »Enoch« und ging auf eine entsprechende Wikipedia-Seite.
»Hat offenbar mindestens eines mit Apple gemeinsam. Hier steht, es ist ein biblischer Name.« Sie scrollte nach unten. »Enoch oder Henoch. Der Name kommt in zwei Kontexten vor. Zum einen hieß der Sohn von Kain so, bei Kain und Abel, zum anderen der Sohn von jemandem namens Jared oder Jered.«
»Wir haben viel gelernt im Konfirmandenunterricht, was?«
Die Hatchers waren sonntags fast immer zur Messe in die Kirche Blessed Sacrament gegangen. Jess und Ellie waren dazu angehalten worden, jeden Abend ein Gebet zu sprechen. Aber über die allgemein bekannten Geschichten wie die von Adam und Eva, von Maria, Hiob und Noah hinaus verfügten sie nur über begrenzte Bibel-Kenntnisse.
Sie klickte einige weitere Suchergebnisse an. »Ich glaube, auf einen von den beiden geht das Buch des Enoch zurück, das nicht zur Bibel gehört. Wer zum Henker weiß so was? Vielleicht hieß auch einfach der erste Hund von dem Kerl so.«
Ellie schaltete den Computer in den Stand-by-Modus und stellte ihn auf den Boden.
»Kannst du mir einen Gefallen tun, Jess?«
»Ich wüsste nicht, dass du das jemals zu mir gesagt hast.«
»Im Ernst. Es ist keine wirkliche Zumutung. Ich bin sogar ziemlich sicher, dass es dir gefallen würde.«
»Und wo ist der Haken?«
»Jetzt hab ich schon gar keine Lust mehr, dich zu fragen. Aber egal, ich brauche dich als Begleiter. – Es hat mit dem Fall zu tun, an dem ich arbeite«, fügte sie hinzu.
Jess schwieg eine Weile. Es fiel ihm sichtlich schwer, ihr nicht erneut ins Gewissen zu reden, weil er meinte, dieser Fall wäre nichts für sie. »Ich kann dich durch nichts davon abbringen, was?«
»Nein.«
Jess zuckte die Achseln. »Okay, dann mach dir keine Gedanken. Gestern Abend war ich ein Arsch – aber heute … Wo geht es hin?«
Zwanzig Minuten später standen sie auf dem Parkplatz des »Vibrations«.
»Erstklassig!«, schrie Jess über den Verkehrslärm auf dem West
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