Online Wartet Der Tod
da irgendetwas nicht gestimmt hätte, wäre das schon mal jemandem aufgefallen. Außerdem passen noch nicht einmal die Geburtstage zusammen.«
»Wenn Bertrand nicht gefunden werden möchte, könnte er beim Boston Police Department ein falsches Geburtsdatum angegeben haben.« Nicht wenige Leute, die Decknamen benutzten, jonglierten zwar mit mehreren Namen, behielten ihr Geburtsdatum aber bei. Vielleicht machte Edmond Bertrand es genau umgekehrt.
»Gehen Sie nach Hause, Ellie. Heute Abend können Sie ohnehin nichts mehr ausrichten.«
Sie blickte Flann nach, als er zur Tür ging. »Ich rufe Helen Benoit an.«
Er winkte ihr zum Abschied zu. »Wegen nichts und wieder nichts wollen Sie eine alte Frau aus dem Bett holen, Hatcher?«
Ellie sah auf die Uhr. In Louisiana war es eine Stunde früher, aber für den Anruf einer Unbekannten dennoch ziemlich spät. Andererseits war man als Gesetzeshüter manchmal gezwungen, gegen die guten Sitten zu verstoßen. Sie tippte die Nummer von Helen Benoit ein.
»Hallo?« Die Stimme war eher leise. Die Aussprache ähnelte der von Evelyn Davis, aber diese Frau hörte sich älter an und weniger vornehm.
Ellie erklärte, wer sie war, und sagte, sie rufe wegen Edmond Bertrand an. Schweigen trat ein.
»Mrs. Benoit?«
»Edmond?«
»Ja. Edmond Bertrand. Mir wurde gesagt, Sie hätten ihn aufgezogen.«
Neuerliches Schweigen. Dann: »An Edmond habe ich schon ewig nicht mehr gedacht. Ich war seine Pflegemutter.«
»Tut mir leid, dass ich Sie jetzt darauf stoße, aber wir arbeiten an einem Fall, der Amy Davis betrifft, und in dem Zusammenhang ist sein Name aufgetaucht.«
»Amy Davis, dieses schreckliche Mädchen.«
»Das schreckliche Mädchen ist tot. Sie ist vor wenigen Tagen in New York ermordet worden.«
Ellie hörte die alte Frau keuchen, als wollte sie die eben gesagten Worte wieder einsaugen. »Davon habe ich noch nicht gehört. Es wundert mich, dass mir niemand was erzählt hat. Jedenfalls glaube ich, dass mir keiner was erzählt hat.«
»Ich weiß, das hört sich merkwürdig an, aber wir versuchen derzeit, sicher festzustellen, dass die Tat nichts mit dem ganzen Ärger zu tun hat, den es damals zwischen Edmond und ihr gegeben hat.« Ellie hoffte, dass die Gepflogenheiten in New Iberia sich nicht allzu sehr von denen in Kansas unterschieden, wo auf jede Art von Gemeinheit mit einem höflichen »der ganze Ärger« angespielt werden konnte. »Wir müssen einfach allen Möglichkeiten nachgehen.«
»Edmond sind etliche üble Dinge angehängt worden, aber mit dieser Sache hat er nichts zu tun, da bin ich mir sicher. Er ist doch vor einiger Zeit gestorben, oder?«
»Das weiß ich. Es muss schwer gewesen sein für Sie, ihn auf diese Weise zu verlieren.«
»Ich habe immer versucht, keinen von ihnen zu sehr ins Herz zu schließen. Ich war ja nicht ihre richtige Mutter, ich habe nur eine Zeit lang für sie gesorgt, verstehen Sie?«
Selbst jetzt noch, ein Jahrzehnt nach Edmonds Tod, hörte Ellie am Ton der Frau, dass ihr in diesem Fall die professionelle Distanz – sosehr sie sich auch darum bemüht haben mochte – abhandengekommen war.
»Ich wüsste gern, ob Ihnen bekannt ist, wie Edmonds Leichnam identifiziert worden ist. Haben Sie ihn gesehen?«
»Oh, nein. Um diese Dinge hat sich der Staat gekümmert. Ich glaube, er ist eingeäschert worden. Einen Gottesdienst gab es nicht.«
Offenbar verstand sie den Sinn von Ellies Frage nicht. »Hat der Amtsarzt Sie vielleicht aufgefordert, den Toten zu identifizieren, bevor er eingeäschert wurde?«
»Er war erwachsen.« Sie war seine Pflegemutter gewesen. Ihre offizielle Zuständigkeit für Edmond hatte mit seinem achtzehnten Geburtstag geendet.
»Hatte er irgendwelche Angehörigen, die ihn vielleicht identifiziert haben?«
»Die Kinder landen bei mir, weil sie keine Angehörigen haben.«
»Verstehe. Also wissen Sie nicht genau, wie Edmonds Identität festgestellt worden ist.«
»Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, danach zu fragen. Was spielt das heute überhaupt noch für eine Rolle?«
»Ich versuche nur, ein wenig Klarheit darüber zu gewinnen, was damals zwischen ihm und Amy gewesen ist. Können Sie sich vielleicht erinnern, ob Edmond im Umgang mit Computern geschickt war?«
»Edmond? Das glaube ich nicht. Er war doch eher langsam, oder?«
Ellie registrierte, dass Helen jetzt schon zum dritten Mal sie etwas fragte und nicht umgekehrt.
»Ich weiß es nicht, Mrs. Benoit. Deswegen habe ich Sie ja angerufen – um Ihnen ein
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