Online Wartet Der Tod
und dafür ist er neunzig Tage in den Bau gegangen. Bertrand galt als netter Typ von nebenan. Nicht der Hellste, aber im Grunde harmlos. So, wie ich es gehört habe, ist ihm von zwei rückfälligen Zellengenossen Gewalt angetan worden. Als er rauskam, hat er Heroin als eine Art Medizin genommen. Und schon ein Jahr nach seiner Entlassung starb er an einer Überdosis.«
Ellie atmete schwer. Das geisterte nicht, es rumorte in ihrem Kopf. Sie hatte einen Kloß im Hals, und es regte sich heftiger Zorn in ihr, auf Evelyn und Hampton Davis – sogar auf Amy. Die hatte einen Jungen benutzt, um eine Zensur zu ergattern, die sie nicht verdiente, und zur Strafe war er Opfer sexueller Gewalt geworden und in den Strudel einer tödlichen Heroinabhängigkeit geraten. Sie konnte sich ohne Weiteres vorstellen, dass eine solche Behandlung bei entsprechender psychischer Verfassung gefährlichen, obsessiven Hass auslöste.
»Besteht irgendeine Möglichkeit, dass es sich bei dem Leichnam nicht um Bertrand gehandelt hat?«
»Wie bitte?«
»Ich meine, geht aus dem Totenschein hervor, auf welche Weise der Tote identifiziert worden ist oder in welchem Zustand der Leichnam war?«
»So detailliert steht das hier nicht, aber ich kenne den Amtsarzt, der das Papier unterschrieben hat. Ein guter Mann. Aufmerksam und genau. Und Bertrands Fingerabdrücke müssen dagewesen sein. Da können Sie Ihr Haus drauf verwetten.«
Ellie war klar, dass ihre Nachfragen verrückt wirken mussten, aber sie war noch nicht bereit nachzulassen. »Können Sie mir vielleicht die Nummer des Amtsarztes geben?«
»Es war kein Scherz, als Sie gesagt haben, dass Sie gründlich sind.« Er schwieg einen Moment, und dann las er ihr eine Telefonnummer in Louisiana vor.
»Hatte Bertrand Angehörige? Jemanden, der ihm so nahestand, dass er vielleicht den Leichnam identifiziert hat?«
»Eine Witwe namens Helen Benoit hat ihn aufgezogen. Eigene Kinder hatte sie nicht, aber sie hat Benachteiligte bei sich aufgenommen wie streunende Katzen. Sie könnte Ihnen vielleicht mehr erzählen.« Er gab ihr eine weitere Telefonnummer.
»Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Dave. Ich weiß das sehr zu schätzen.«
»Kein Problem. Wenn Sie sonst noch etwas brauchen – rufen Sie jederzeit Ihren Freund unten im guten alten New Iberia an.«
Ellie wählte die Nummer von Dr. Ballentine Clarke, dem Amtsarzt, der Edmond Bertrands Totenschein ausgestellt hatte. Ein Anrufbeantworter ging an mit der Ansage, dies sei das Büro des Bezirksamtsarztes, und sie hinterließ die Bitte, Dr. Clarke möge sie so bald wie möglich zurückrufen. Als sie sah, dass Flann seinen Mantel anzog, legte sie auf.
»Wo gehen Sie hin?«
»Ich weiß nicht, wie Sie das sehen«, sagte er, »aber ich brauche eine Pause. Für heute haben wir genug getan. Morgen früh machen wir mit frischem Blick weiter.«
»Und was ist hiermit?« Sie hielt das Fax vom Boston Police Department hoch, und Flann lachte.
»Das war Ihr Ding, schon vergessen? Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie mir gesagt, Sie hätten diesen Bericht als Gefallen für eine Freundin angefordert.«
»Okay, tut mir leid. Es kam mir so aussichtslos vor.«
»Genau. Und nun haben Sie nichts als zwei unglückselige Leute mit dem gleichen verrückten Namen.«
»Aber die sogenannte Gratis-Mitgliedschaft bei FirstDate rückt alles in ein anderes Licht. Enoch hatte es ganz offensichtlich auf Amy abgesehen. Er hat ihr diese falsche E-Mail geschickt, um sie ins Internet zu locken.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Aber der Krach zwischen Amy und Bertrand liegt zehn Jahre zurück …«
»Aber …«
»Echter Groll kann Jahrzehnte anhalten, ich weiß. Deswegen war Ihre Idee, er könnte unser Täter sein, überhaupt nicht abwegig. Aber nun haben Sie das überprüft, und der Mann ist tot. Sogar in Louisiana wissen die Amtsärzte, wie man einen Toten identifiziert. Wir nehmen uns morgen noch einmal alle vor, die sie gekannt haben.«
»Amtsärzte machen auch Fehler. Vielleicht hat er sich nicht die Mühe gemacht, die Fingerabdrücke abzugleichen und den Zahnstatus zu untersuchen. Identifizierungen nach Augenschein gehen manchmal daneben. Erinnern Sie sich an den Autounfall letztes Jahr, als die Angehörigen des Mädchens den falschen Leichnam identifiziert hatten? Am Ende kam raus, dass die Tochter quicklebendig war.«
»Dieser Irrtum ist nach einer Woche festgestellt worden. Edmond Bertrand ist seit zehn Jahren unter der Erde. Ich schätze, wenn
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