Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Studiokulisse von Good Morning, Germany! und sagt mit einer Geste, die einladend sein soll, doch wegwerfend wirkt:
»Ja, liebe Zuschauer, Dinge aufzuspüren, Leuten auf der Lauer zu liegen, und das alles ganz verdeckt, das alles ist natürlich eine ganz spannende Sache, es geht um den Beruf des Detektivs.«
Sapperlot. Es trillert der Auftakt zur Titelmelodie von Mission: Impossible . Im Bild das Doppelobjektiv eines Feldstechers, gefilmt im Außenspiegel eines Pkw. Aus dem Off tönt einer jener Gießkannentenöre, wie sie vorwiegend bei den Privatsendern getrimmt werden:
»Beobachten, ermitteln, verfolgen – anders als im Fernsehen hat der Beruf des Detektivs wenig mit Action zu tun.«
Anders als im Fernsehen, öff, öff. Und warum wählen sie für einen Fernsehbericht über den Beruf des Detektivs die Musik aus einem Action-Film, wenn der Beruf des Detektivs wenig mit Action zu tun hat? Ironie? Möglich. Denn auf dem Bildschirm erscheint nun ein Philister. Sakko, Schlips, grauer Schnauzer.
»Manfred Sievers ist Detektiv aus Leidenschaft.«
Leidenschaft. Der.
»Zuverlässigkeit – für ihn die Grundvoraussetzung.«
Und O-Ton Sakko Sievers, verschnarcht wie ein Ai:
»Natürlich auch Geduldigsein. Bei der Arbeit sitzt man natürlich stundenlang im Auto, und es darf einem nicht langweilig werden, ja? Und äh, Ausdauer, Durchhaltevermögen natürlich … Das sind alles Sachen, die ein Detektiv natürlich haben sollte.«
Natürlich. Nun wieder Gießkanne:
»Eine solide Ausbildung garantieren Fachkurse. Teilnehmer kommen aus allen Berufssparten.«
Zum Beweis stottert ein Zeitsoldat eine Hymne auf sein Ausbildungsinstitut. Leiter – trau, schau, wem –: Sakko Sievers. Kanne:
»Hier wird der wißbegierige Schüler vom Meisterdetektiv in die hohe Kunst des Ermittelns und Observierens eingeweiht. Unverzichtbare Arbeitsinstrumente: Fernglas und Fotoapparat.«
Ganz wichtig: unauffällig sein. Detektive kommen zum Einsatz, wenn zum Beispiel eine Ehefrau glaubt, ihr Mann betrüge sie. (Gelegenheit, Strapsmaus einzublenden.) Oder wenn eine Firma herausfinden will, ob ein Mitarbeiter regelmäßig blau macht. (Gelegenheit, Florida-Rolf einzublenden. Mit Strapsmaus.) Und übrigens, die Detektivausbildung bedeutet für viele eine neue Chance. Arbeitslose Detektive kennt Sakko Sievers nämlich nicht. Sakko wörtlich:
»Arbeitslose Detektive kenne ich nicht.«
Und zum Abschluß liest er, an der Kamera vorbeischielend, leiernd irgendwo ab wie folgt:
»Durch das mangelnde Unrechtsbewußtsein und den Verfall der Moralvorstellungen wird der bundesweite Umsatz in den nächsten Jahren wohl um rund zwanzig Prozent steigen.«
Wohl. Rund. Na.
Schleichwerbung für das Detektivinstitut Sakko Schnauzer Sievers, nichts anderes. Und doch, wie auch immer …
Innerhalb unseres traditionellen Trios trug, wie bereits angedeutet, meist ich die Robe des Salomo. (Ob sie mir nun paßte oder nicht; Onno und Raimund hatten es ja auch nicht leicht in ihren Wahlzwillingszwangsjacken.) Und ohne die kurze Dokumentation zu dem Zeitpunkt schon gesehen zu haben – an jenem Montagabend hatte ich das geradezu plastische Gefühl, seinen Tatendrang auf keinen Fall bremsen zu dürfen.
»Ja, find’ ich gut«, sagte ich also, nachdem Onno referiert hatte, was Fernsehbericht und Internetrecherchen zutage gefördert hatten. »Versuch’s doch einfach mal.«
Baff, matt, blieb Raimund für diesmal stumm. Selbst ein meinungsstarker Citoyen wie er mochte den mühsam geretteten Après-Pingpong-Frieden so kurz vor Feierabend nicht mehr gefährden. Onno richtete seinen Haselnußblick auf mich, um den Sarkasmusgehalt meiner Aussage zu prüfen.
»Nee, im Ernst«, improvisierte ich weiter. Und daß ich ihm Kontakt vermitteln könne. Meine Kanzlei nehme ja regelmäßig die Dienste von Detekteien in Anspruch. (Was eine Halbwahrheit war – ›unregelmäßig‹ wäre die ganze Wahrheit gewesen.) Zur Beweisführung wählte ich einen uralten Fall, bei dem ich einen dealenden Studenten vorm Knast bewahrt hatte, indem ich einen Belastungszeugen aus dem Milieu beobachten ließ, um dessen Glaubwürdigkeit zu unterminieren.
Die Sportsfreunde waren beeindruckt (Ulli), müde (Raimund), enthusiastisch (Onno; sofern ein Halbostfriese enthusiastisch sein kann). Und skeptisch bezüglich der eigenen Courage (ich).
Ich dachte mir das so:
Nach einer Woche weiterer Recherche zum Berufsbild würde Onno herausgefunden haben: Auch Detekteien stellen keine alternden
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