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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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für Arbeit vorliegt, ergänzt um die ungeschönten Informationen. Silvester neunzehnhundertzappenduster: geboren in Hamburg-Wilhelmsburg …«
    Onno kicherte. Kicherte in Anerkennung seines alten, ältesten Freundes, wenn nicht in Liebe.
    Nichts gegen Menschen, die über sich selbst lachen können. Ganz im Gegenteil, das unterscheidet noch den Stoffel vom Stiesel. Doch grenzte es ans Verdächtige, ja Unheimliche, mit welcher Leidenschaft unser Onno sich darüber amüsierte, was für ein ausgemachter Esel und   /   oder Taugenichts er – nicht immer, doch mitunter – sein konnte. »Das glaubt ihr nicht«, zum Beispiel. »Heut morgen hat mich die Einfahrtsschranke vom Parkhaus bei ALMOS auf’n Kopp gehau’n. ’ch, ’ch, ’ch …« Und ähnliches.
    »… neunzehnhunderteinundsechzig bis fünfundsechzig: Grundschule. Sechsundsechzig bis einundsiebzig: Realschule. Einundsiebzig bis zweiundsiebzig: Lehre zum Radio- und Fernsehtechniker. Abgebrochen. Zwei- bis dreiundsiebzig: Lehre zum Klempner und Installateur. Abgebrochen. Drei- bis vierundsiebzig: Lehre zum Bürokaufmann. Abgebrochen. Vierundsiebzig bis siebenundsiebzig: Zeitsoldat. Unehrenhaft entlassen. Achtund–«
    »Das ’ne dreckige Lüge, du Rotarsch!« Onno grinste.
    »– siebzig bis … zweiundachtzig? Dreiundachtzig? Pächter der Gaststätte ›Plemplem‹. Konkurs. Dreiundachtzig bis … mach du mal weiter, Stoffel, mir wird’s jetzt zu unübersichtlich.« Eh ein Wunder, daß Raimund soweit gekommen war. Im Gegensatz zum Problem der Harthörigkeit konkurrierte er mit Onno erstaunlicherweise gern darum, wer mit den breiteren Erinnerungslücken, den schlimmeren Problemen bei Wort- und Namensfindung zu kämpfen hatte. »Neulich fiel mir nicht mal mehr Carina ein!«
    Versicherungsvertreter, parallel immerhin Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Studium der Sozialpädagogik. Abgebrochen. Der Soziologie. Abgebrochen. Diverse Jobs per Zeitarbeit, sowohl kaufmännisch als auch gewerblich; parallel diverse Projekte (kaufmännisch, gewerblich, ja künstlerisch: alle abgebrochen). Pächter eines Ladenkiosks für Tabakwaren mit Lotto-   /   Toto-Annahme. Konkurs. Arbeitslos. Freiberuflicher Journalist. Abgebrochen. Seit zwei Jahren arbeitslos.
    EP kannte lediglich die letzte Phase. Beim Après-TT war das bislang kein Thema gewesen. »Kein Job zu kriegen? Taxifahrer?« schlug er vor. »Pizzabote? Apothekengehilfe, dringende Arzneimittel und so?«
    Raimund knarzte hämisch. »Der könnte doch ums Verrecken nicht die kürzeste Verbindung zwischen zwei Stadtplankoordinaten imaginieren. Wenn nicht hin und wieder Edda neben ihm säße, würde er nach jeder Stadtfahrt in Bremen oder Flensburg landen statt in Hoheluft-West.«
    »Maler? Tapezierer?«
    »Nee. Nich«, sagte Onno. »Allergie. Bei bestimmten Farbstoffen nies’ ich mir die Polypen aus’m Zinken, nech.«
    »Imbißkraft?«
    Onno schwieg opak. Raimund nicht, doch noch opaker: »Hat ’ne Phobie gegen Hühnerköpfe.«
    »Aber im Imbiß«, sagte Ulli nach einer Pause, in der sein Entschluß gereift war, derlei bizarren Unfug als bizarren Unfug aufzufassen, »sind die doch meistens schon ab.«
    Ich kicherte über das ›meistens‹.
    »Im Ernst«, sagte Raimund. »Themawechsel. Sonst kotzt der hier gleich auf’n Tisch.«
    Ulli gab nicht auf. »Fahrradkurier?«
    Jetzt prustete Onno noch vor Raimund los. Ich sprang ein. »Dazu müßte man fahrradfahren können.«
    Ullis Stirne knüllte sich. »Du kannst nicht fahrradfahren? Ich meine, du kannst … nicht fahrradfahren? Mein Neffe ist drei. Der kann fahrradfahren. Meine Oma ist vierundachtzig. Die kann fahrradfahren. Ich kenn’ Leute, die sind total bescheuert und können fahrradfahren.«
    »Bin damals gleich vom Tretroller auf Mofa umgestiegen«, sagte Onno. »Und bevor du mir mit Bademeister kommst – schwimmen kann ich auch nicht, nech. Hab nicht mal Seepferdchen. ’ch, ’ch, ’ch …« Er kicherte sich in einen Hustenanfall hinein.
    Jetzt gab Ulli auf. Kein Wunder. Selbst Onnos Arbeitsberater bekam beim Anblick von Onnos Dackelfalten Dackelfalten.
    »Gut, er hat noch nicht alles durch«, sagte Raimund. »Aber die Aufsichtsräte der gängigsten Konzerne sind ja leider derzeit besetzt. Öff, öff.«
    [4]
    Kurzum: Im heutigen Frühstücksfernsehen auf dem Kanal von Agora TV hatte Onno einen Beitrag verfolgt, den ich später als Videostream im Internet nachgeschaut hatte. Da steht unser beliebtes Gretchen Ngoro in der schwarz-rot-goldigen

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