Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Versager ein. Vielmehr Leute mit ›Hintergrund‹: ehemalige Polizisten, Sicherheitsleute, Soldaten (und sicher keine seit dreißig Jahren ausgemusterten). Und selbständig machen würde er sich im Ernst ja wohl hoffentlich nicht ein drittes Mal. Einen dritten Konkurs würde ja wohl selbst ein leidensfähiger Viets nicht mehr verkraften.
Würde es Onno aber an Einsicht mangeln – so Plan B meiner Stegreifspekulation –, könnte ich einen Auftrag kreieren, bei dem er nicht zwangsläufig Schaden anrichtete, doch das Gefühl hätte, das von mir ›erst mal schwarz‹ gezahlte Geld eigenhändig verdient zu haben. Er wäre quasi mein inoffizieller Mitarbeiter. IM Noppe. Irgendwann dann würde selbst einem Onno Viets auffallen, daß die Auftragslage über Beschaffungsmaßnahmen kaum hinausgelangte.
Gewonnen wäre neben der Aufrechterhaltung seiner Spannkraft, seines Optimismus und Selbstwertgefühls wieder ein bißchen Zeit bis zur Rente. Denn bis dahin mußte er noch ein paar Jährchen ran. (Auch wenn er am liebsten nur noch Sopranos geguckt, auf das nächste Album der White Stripes und den jüngsten Roman eines jener Westamerikaner gewartet hätte, für die wir beide schwärmten.)
Was ich bei meinem Plan sträflich außer acht ließ, waren zwei Umstände.
Erstens mußte Onno in spätestens elf Tagen, am 30. April, die erste von vier Monatsraten à dreihundert Euro an die Steuerkasse Hamburg überwiesen haben. Sein Anwalt (wer wohl) hatte ihm dringend zugeraten, sich der staatlichen Erpressung zu beugen. Andernfalls der Fiskus es nämlich frank unterließe, das Amtsgericht zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO »anzuregen«. Was unweigerlich einen Strafbefehl nach sich zöge. Wegen vorsätzlicher Verkürzung von Steuern aus dem Einkommen als freier Journalist (er hatte einfach sechstausend Euro Vorschuß eines Buchverlages vergessen, der keinen Beleg mitgeschickt hatte); Einkommensteuern, genauer beziffert, in Höhe von tausendvierhundertundfünfunddreißig Euro nebst Umsatzsteuern in Höhe von acht Pfund Lakritze. Onno gölte dann als vorbestraft. Endlich auch das noch.
Und abgesehen davon, daß er Edda diesen Umstand schonend verschwiegen hatte, wurde diese seine geliebte Gattin am 8. Mai fünfzig. Und Onno wollte ihr – zweitens – ums Verrecken ein neues Fahrrad schenken, das sie sich schon so lange wünschte.
Das Gewicht dieser beiden Umstände auf Onnos Druckempfinden hatte ich unterschätzt. Im Gegensatz zu ihm hielt ich es mittlerweile für unumgänglich (und völlig in Ordnung), meinen seit Jahren stetig angewachsenen zinslosen Kredit an ihn, rückzahlbar am Tag des Jüngsten Gerichts, über die Fünfstelligkeitsschwelle hinüberzuwuppen.
Nun, vorerst mündete der Abend in einer harmonischen halben Stunde, in der wir nicht mehr von Detekteien redeten. Vielmehr über ganz andere Themen. Ja, wir jonglierten mit dreien gleichzeitig: dem derzeit wieder in ganz besonderem Maße zwischen Präpotenz und medialer Omnipräsenz oszillierenden Popstar Nick Dolan; Raimunds Rücken-, Ullis Knie- und meinen Schulterbeschwerden nach jedem Training – und der gegenwärtigen Mückenplage in Hamburg und Umgebung . Eine hatte EP soeben in den Ellbogen gestochen. »Fffss… Mistvieh. Cariiinaaa …!«
Eigentlich bekannt als ganz gemeine Hausmücke, vermochte Culex pipiens laut heutiger Abendpost neuerdings ein afrikanisches Virus zu übertragen, das bisher nur Zugvögel befallen habe. Drei bis vier Tage nach dem Stich träte hohes Fieber auf; auch Hautrötungen, rheumatische Schmerzen und Hirnentzündung könnten die Folge sein. Für Schwangere und HIV – Infizierte bestünde womöglich Lebensgefahr.
Mit Blick auf EPs saloppen, doch soliden Wanst fragte Onno: »Wann hatten Sie zuletzt Geschlechtsverkehr?«
»Er muß das fragen«, sekundierte ich. »Reine Routine.«
»Mich«, versetzte EP, »können nur Schwimmer und Radfahrer beleidigen.«
»Ich hatte schon gestern abend beim Einschlafen ’n Mückenproblem«, fluchte Raimund. »Aber null Bock, noch groß das Licht wieder anzumachen. Irgendwann hab ich mir zwei Ohrfeigen gehauen, und das war’s dann. Sag mal, stimmt das«, wechselte er fliegend das Thema, »was die Kollegin aus dem Klatschressort heute in der Kantine erzählt hat? Der Dolan, der Mongo, der hat sich ’nen Bagger gekauft?«
Aha. Zum Abschied versuchte er, Carinas Aufmerksamkeit von EPs Ellenbogen zu subtrahieren, den sie gerade gurrend mit Fingerkuppe und
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