Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Gelportiönchen aus einer Tube Antijuck zu behandeln begann. Vor verlegener Wonne nuckelte Ulli so gut wie am Daumen. Schnurrte fast, weil ausnahmsweise mal nicht Onno das Liebesobjekt Carinas war. Mit Onno pflegte Carina normalerweise geradezu empörend vertraut herumzuschäkern.
    Nun trat Raimund in den Kampf ein. Raimund war ein genialischer Stimmenimitator. Leider verfügte sein Repertoire nur über ein einziges Paradestück: Nick Dolan alias Harald Herbert Queckenborn. Aber wenn er den brachte, mußte Carina lachen, und Raimunds schierstes Erdenglück bestand nun mal darin, Frauen zum Lachen zu bringen, zu schweigen von solchen wie Carina.
    Das Gerücht stimmte tatsächlich. Konnte ich als Dolans Anwalt bestätigen. Er habe sich, erzählte ich, da draußen in Ramelsloh ’ne Kiesgrube und so ’nen Minibagger gekauft. Mit Raupenlaufwerk und Knickgelenk und Grablöffel und so. Wo er neuerdings in seiner Freizeit rumbaggere.
    » Mann« , raunte Ulli aus tiefstem Herzen, »ist der bekloppt.«
    »Wieso«, sagte Raimund. »Macht bestimmt ’n Heidenspaß. Würd’ ich auch machen, wenn ich ’nen Euro übrig hätte.«
    Bedenklich, behauptete ich. Der größte Baggerer aller Zeiten sehne sich nach Baggern?
    »Na ohnd? …«, intonierte Raimund, nun im schockierend exakt kopierten Timbre jenes berüchtigten Allzweckpromis, »so ’n bißchen rumbrumm’ un’ buddeln un’ so, däs gefällt jeden Kähl, und wen nich’, der lühcht oder is’ schwul, dor bin ech gänz ehrlech …« Und eine geschlagene Minute so weiter.
    Carina weinte vor Entzücken. Selbst Schnorf schnorfte wiederholt. Drei, vier Gäste drehten sich mit klaffendem Rachen nach dem berühmten Horner Falsett um – aber klar doch, Nick Dolan im Tre tigli ! –; ja, es kam gar ein Zehnjähriger mit Käppi, Stift und Autogrammzettel von achtern aus dem Nichtraucher, krähte enttäuscht: »Äy wie kraß is’ das denn, bitte!«, und verschwand wieder.
    Gelungener Abgang für Raimund, auch wenn er Rechnung und Gratisschnaps nicht ohne frivolen Stegreifreim serviert bekam: »Einen Grappa für den Papa.« Weswegen er auf die traditionelle Erneuerung seines Heiratsantrags diesmal verzichtete – »aus erzieherischen Gründen«. Den Vogel aber schoß Onno ab.
    Plötzlich, als bereits alles belacht und bedacht und bezahlt war, brach er in ein Gekicher aus, das sich je heftiger steigerte, je öfter er es zu unterdrücken suchte. Raimunds Neugier hielt sich in Grenzen – der Abend war vorbei, verdammt noch eins –, und auch ich hatte keine rechte Lust mehr zu onnophiler Hermeneutik. Ulli übernahm das, während wir die Kneipe verließen.
    Er hat vorhin verstanden, berichtete Onno mit immer neuen keuchhustenartigen Unterbrechungen, Raimund hat gestern nacht ein Rückenproblem gehabt. Hat aber ja wohl Mückenproblem gesagt, nech.
    Wir warteten. Eine Amsel imitierte Licks von B. B. King.
    »Ich bin ja so dooof!« feierte Onno. »Das geht auf keine Kuhhaut!« jubelte er. Und erklärte endlich, wie sehr er Raimund für den osteopathischen Kniff bewundert hat, seine Rückenprobleme mit zwei Ohrfeigen zu beheben.
    »Mann, Mann, Mann«, sagte EP. »Und so was will demnächst die Straßen der Stadt von Gangstern säubern. Und übrigens, Onno, ich sag das nur mal – und ich sag es nicht gern –: Der Malteser Falke ist kein Kümmel.«
    Wir machten uns auf den Heimweg, schwerbeinig, doch leichtherzig.
    Ich weiß nicht, was die Sportsfreunde noch so begingen. Ich jedenfalls schon eine Viertelstunde später einen Fehler. Einen jener schweren, grundlegenden Fehler aller möglichen Beteiligten, die hundertsechzehn Tage später zu dem »grotesken Thriller« (Abendpost) um den »Irren vom Kiez« (HEZ) führten.
    [5]
    Dienstag, der 20.   April, 7:24 Uhr. (Noch zehn Tage bis Ultimo Fiskus.) Balkon des Ehepaars Viets in Hamburg-Hoheluft. Gugruuuhuu, gruhu; gugruuuhuu, gruhu; gugruuuhuu, gruhu; gu–.
    Da gurrte sich was in Trance, da hinter den erblauenden Vorhängen. Hockte da irgendwo zwischen Aschenbechern, Blumentöpfen und rostigem Barometer oder unterm Gartenstuhlgestell. Hockte da wie Vieh und gurrte sich in Trance. Gugruuuhuu, gruhu … Gurrte, als spürte es die Überhitzung der Welt bereits in den Krallen (Krallen puterrot, wahrscheinlich). Gurrte, als rüstete es sich bereits dafür – mit all der Gleichgültigkeit seiner Spezies, die dem menschlichen Leugnungsdrang noch himmelweit überlegen war. Gugruuuhuu, gruhu; gugruuuhuu, gruhu; gu–.
    Noch bevor