Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
Mittlerweile brauchte der an die zehn Minuten, bis er startbereit war. Den Kandis rührend blieb Onno zwar stehen, warf aber einen Blick nach dem Sofa.
Der Winter war so plötzlich zu Ende gegangen, daß das Heizkissen noch eingestöpselt Wache hielt. Den Segen dieser Erwerbung (Flohmarkt, drei Euro) hatte Onno vier, fünf Jahre zuvor für sich entdeckt. Pflegte Al Bundy mit maskulinem Markenstolz von seinem Ferguson (= Klosett) zu sprechen, so Onno von »meinem Sanitas SHK 29«. Anfangs hatte Edda ihn noch ausgelacht, doch inzwischen schmorte sie öfter drauf als er.
Während der PC fauchte und schnarrte wie eine prototypische Herz-Lungen-Maschine, ja bisweilen pfiff, gaffte Onno Agora TV. Das Format mit dem Titel Good Morning, Germany! Und siehe da, wer steckt grad den Daumen ins Schmollmündchen, drei schmutzige Sekunden schweigend? Gretchen Ngoro. (Hans Nogger im KulturKanal: »Beyoncé zum Hartz-IV – Tarif«.)
Neben kupferrot gefärbtem Afro und leibchenkurzen Lamettakleidchen war das Gretchens Markenzeichen: der Daumen im Schmollmündchen, »quasi philopädophil« (Hans Nogger im KuKa). Kultorientiert penetriert, war diese ihre Geste für die Anmoderation von Berichten über die V-GIRLS – Show reserviert.
Schon wurde der Bildschirm dunkel. Dazu zwei Takte Fingerschnipp-Groove, dann wie ein Schrei: »Fe ver !«, und auf drei war der Monitor vom Logo erfüllt. Unter nachtblauem Himmel mit Mondsichel und blinzelnden Sternchen eine finstere Backsteinwand, an deren linker Kante rot leuchtende Neoninitialen befestigt sind. Auf der dunklen Mauer irisiert in lachsfarbener Edwardian die Auflösung des Akronyms.
Das V besteht aus animierten Damenschenkeln in Netzstrümpfen, seine Serifen aus Stilettopumps. Staksen in der Luft, stetig rückwärts marsch.
Das linksbündig lastende Phallische des Motivs, das verkehrte Verhältnis von Hoch- zu Querformat … gebrauchsgraphisch nicht eben schulmäßig. Zwei Drittel des Bildschirms nichts als nachtschattige Wand. Wie aber hatte doch Hans Nogger (KuKa) mit »lumpischarfem Intellekt« erkannt: »Genial. Black Box für Couchkartoffels blühende Kellerphantasie.«
Pointierter Umschnitt. In der Totalen: ein blutjunger Klempner in gebügeltem Overall, der artistisch stilisierte Hüftbewegungen an einer wohlfrisierten, – mani- und – pedikürten, kittelmäßig jedoch dekorativ derangierten Neununddreißigjährigen durchführt. Indem die sich an den Spültischkran klammert, befriedigt sie allemal Sponsor karo-Küchen, Neuhahnenburg.
Das, so die entsprechende Verlautbarung der Offkommentatorin mit dem süffisanten Vibrato eines puffmütterlichen Alts, hat sich unser Berner Bulle auch nicht träumen lassen, daß er seine einstige Vorlagenfee mal in echt beglücken würde.
In der Bildschirmecke oben links das Senderlogo von Agora TV, oben rechts in lachsfarbener Edwardian auf schwarzem Grund:
Die primären Geschlechtsteile während der Hubphasen der Penetration sind so knapp wie möglich verpixelt. Das Tempo setzt Ravels Bolero. Die aufwühlende E-Dur-Passage ist bereits passiert, die Posaunen schmettern ihre Glissandi, das Live-Publikum klatscht im Takt, da wird die Szenerie auf den Installateur umgeschnitten. Sein schweißglänzendes Halbprofil drückt Verdrossenheit aus.
Doch wunschlos glücklich, eiteiteit es aus dem Off, ist der Handwerker mit dem selbstbewußten Künstlernamen anscheinend nicht.
Dazu, am unteren Bildschirmrand eingeblendet (= sog. Insert bzw. Bauchbinde):
BULLE HONK
pümpelt gerade Ula Valeska
Und skandiert in sein Warzenmikro: »Ja gib doch mol ein kchlit ze kchlei nes Feed backch, du [ piiiep ] [ piiiep ] , o’drr?!«
Den Bezahlsender RedLight konnten Onno und Edda sich natürlich nicht leisten, und der Partnersender Agora TV zensierte nicht nur die optisch heikelsten bzw. prickelndsten Stellen, sondern durch Piepgeräusche auch die verbotensten Kose- und Trotzwörter.
Daraufhin gemischte Reaktionen aus dem Hammonia – Publikum; Gelächter, Buh-Rufe, mittels Kazoo nachgeahmte Tuschrefrains.
Dazu nun per Fensterchen (= sog. Split Screen) eingeblendet eine blauäugige Strohblondine mit Zöpfchen, Röckchen und Söckchen. (Hans Nogger: »Was Nonpäderasten und Nichtarier mit ihrem Anblick einzig zu versöhnen vermag, ist die Schiefstellung ihrer Eckzähnchen.«) Ihr Kommentar zum Kchommentar des Kchlempners: »Du [ piiiep ] [ piiiep ]? Hallo? Geht’s noch? Wie billig ist das denn.«
Bauchbinde:
FIONA POPO
Superstar V-GIRLS Staffel
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