Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
begehrte.
»Reiß ich mir auch noch det Rahm’jummi mit raus!« erzählte er. Machte er ooch noch den Zille. Verkorkste ihn aber: abgesehen von der viel zu flachen ostfriesischen Transformation der kreglen Spree-Melodie, auch noch gespickt mit Fehlern. »Icke«, verbesserte ich ihn. »Ooch noch. Raues. Noch mal. Reiß icke mia ooch noch – sprich mir nach! – det Rahm’jummi mit raues.«
Nur, um endlich hinterm Steuer sitzend festzustellen, daß die Windschutzscheibe derart verdreckt war, daß er »nach Jehör« hätte fahren müssen.
Ich, ahnungsvoll: »Und die Düsen von der Wischwaschanlage natürlich saftversiegelt.«
»Was?«
Ich: »Die Düsen. Wischwasch. Saft-ver-sie-gelt.«
»Jawohl, Commander, Sir. Positiv, Sir.«
Also erst wieder sieben Minuten weit nach Haus. Zu Hause Eimer mit Warmwasser, Spüli und Schwammi, neun Minuten weit tragen und dann fünfzehn Minuten lang im Erz der Feinde herumschmieren. Zwischendurch eine Minute Handytelefonat mit mir, wo zum Kuckuck er denn bleibt. Machte, inkl. Stau am Dammtor, satte anderthalb Stunden, bis er vor meinem Schreibtisch saß.
»Immer wieder geiler Ausblick«, sagte Onno verträumt und schaute über meine Schulter auf das funkelnde Binnenalsterbecken mit der steilen Fontäne.
»Man nennt es auch Hammonias Bidet«, log ich.
»Ih«, machte Onno. »Nech.«
Da er immer noch nichts gefrühstückt hatte, war es ausnahmsweise möglich, Onno zum Mittagessen einzuladen. Ich ließ mir von Robota eine ausgediente Ledertasche geben. (Ihr selbsterfundener Spitzname, eigentlich heißt sie Roberta. Langbeinig, aber Mona-Lisa-Wangen – eine herzzerreißende Kombination.) »Das ist jetzt dein Detektivbaukasten«, sagte ich. Tat das Fernglas hinein, das ich auf der Fensterbank zu stehen hatte. Tat die Fiona-Fotos hinein und den Ausdruck des alten detektivischen Observationsprotokolls aus der uralten Studentendealer-Affäre, als Vorlage für Onno. Tat meine Nikon D 70 einschl. Handbuch hinein. Tat mein Diktiergerät hinein. Drückte ihm hundert Euro in die Hand. Dann gingen wir die paar Schritte hinüber in die Cafeteria des Alsterhauses und aßen, wie es sich in Hamburg gehört, Cornedbeef-Matjeshering-Kartoffeln-Rote-Bete-Mus mit Gurke und Spiegelei, sprich: Labskaus.
»Heute«, sagte ich, »haben diese Spiegelreflexkameras keine festen Brennweiten mehr. Mit dem Autofocus stellen sie sich selbsttätig scharf. Für den Zoom drehst du an diesem Ring – und dann klick. Fertig.«
»Und die ganzen interessanten Blinkvorgänge hier, auf dem Display? AF – S und BKT und alles. Und diese Knöpfchen? ISO und WB und QKAL …«
»Vergiß das alles.«
»Was?«
»Vergiß es einfach.«
»Ja, Colonel, Sir. Vergessen, Sir, verstanden, Sir.«
»Für Eventualitäten hast du ja noch das Handbuch.«
»Handtuch, Sir, jawoll, Sir. Was für ein Handtuch, Sir?«
Wir betrachteten die vier Farb-Ausdrucke von Fionas Konterfei. Der eine zeigte eine Art Paßporträt, der zweite ein Privatfoto (sie in langem schwarzem Rollkragenpullover, mit nackten Beinen und untergeschlagenen Füßen samt hyperbolischem rosa Plüsch-Ren auf Ledersofa). Der dritte war das offizielle Burlesque-Bild, mit dem sie letztes Jahr berühmt geworden war. Auf Stilettos balancierend, knickt sie in der Korselettentaille ein und präsentiert eine Vaudeville-Pose von kecker Symmetrie: bilden benetzstrumpftes gestrecktes Bein, Kavaliersstock, Hals, Kopf und Zylinder die lotrechten Linien, setzen die schrägen Akzente benetzstrumpfter eingeknickter Oberschenkel, Korsettachse und ärmelbehandschuhte Arme (eine Hand am Stock, die andere mit Täterätä!- Aplomb in die Luft gereckt). Alles in Schwarz, inkl. Perücke. Und der vierte ein professionelles Bikini-Pin-up-Motiv im Stil der Fünfziger. Zweimal war sie blond, zweimal schwarz. Einmal kurz-, dreimal langhaarig. Es hätten vier verschiedene, ähnliche Mädchen sein können, alle hübsch. Man mußte sich sehr auf die Gesichtsdetails konzentrieren, um sie als ein und dasselbe Individuum zu identifizieren. Nur auf dem Bikini-Bild entblößte sie die charmant schiefen Eckzähne.
»Also weißt du«, sagte ich, »so’n Material hätt’ste dir auch aus’m Internet runterholen können.«
»Internet, Sir. Runterholen. Verstanden, Anwalt, Sir.«
Tiefes Mitleid, hohe Achtung – sicherlich. Manchmal, ja oft aber ging er einem auch auf den Wecker. Exponentiell.
[8]
Immer noch Dienstag, den 20. April. Inzwischen ungefähr 17:00 Uhr. Parklücke Froindstraße
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