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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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unserem mittlerweile zweiten Telefonat des Vormittags gesagt. »Kann ich gleich Fernglas und alles abholen. Mit’m Auto; kann ich gleich weiter auf Observation.«
    »Cool«, sagte ich, »wie geölt dir der terminus technicus bereits über die Lippen kommt.«
    »Wieso? Auto, Auto, Auto. Ist doch simpel, nech.«
    Laut Einzelverbindungsnachweis hatte dieses Telefonat von 12:09 bis 12:22 Uhr gedauert. Per Pkw brauchte man von Onnos und Eddas Adresse in Hoheluft-West bis zu unserem Bürohaus am Jungfernstieg laut Tourenplaner elf Minuten. Angerollt, ähnlich umständlich wie sein R, kam er etwa zehn vor zwei.
    In meinem edelhölzernen und wildledernen Büro sagte er: »Njorp.«
    »Setz dich«, sagte ich. »Cognac?«
    »Nicht im Dienst.«
    Es gab mir nicht selten einen Stich, wenn ich sein kompaktes, grundgutes Grinsen sah. Wie kriegte er das nur immer noch fertig? Hin und her gerissen war ich oft. Zwischen tiefem Mitleid und hoher Achtung.
    Auf der Suche nach seinem Auto war er zunächst geschlagene zwanzig Minuten lang durchs Quartier geirrt. Nordöstlich begrenzt von der Hauptschlagader der Hoheluftchaussee, nordwestlich von der Hauptschlagader des Rings 2, südöstlich vom parkähnlichen Kaiser-Friedrich-Ufer des Isebek-Kanals, bildete das Viertel vor allem ein Gitter aus Einbahnstraßen, die von der Bismarckstraße aus den Eppendorfer Weg kreuzten, einige noch mit dem historischen Kopfsteinpflaster, milieugeschützt; streckenweise Blaubasalt. Auch wenn Bombardierungslücken mit teils häßlichen Klinkerhäusern aus den Fünfzigern und Sechzigern gestopft worden waren, herrschte mit herrschaftlichen fünfstöckigen Bauten aus Neorenaissance und Jugendstil der Eindruck von Gediegenheit vor. Mittelresaliten, Erker, Architrave, restaurierte Fassaden in Pastellfarben, Balkone mit geschmiedeten Geländern, Vorgärten mit Zäunen aus verschnörkelten Eisenstaketen. Begehrte Wohnlage. Cafés, Eiscafés, Restaurants, ein paar noble Einzelhandelsgeschäfte und profane Restgewerke. Lehrerinnen, Medienfritzen, Grünwählerschaft patrouillierten mit den sanften Rammböcken ihrer Kinderkarren durchs Revier. Erst seit wenigen Jahren begann der Eppendorfer Chic über die Hoheluftchaussee hereinzuschwappen, und von der anderen Seite drang die Eimsbütteler Gentrifizierung vor. Onno und Edda gehörten zu den letzten einer eher schlichten Schicht der Demographie. Zu den Aborigines in diesem, wie es so hübsch heißt, Bionade-Biedermeier.
    Anscheinend stand sein Auto ganz woanders als sonst. Wegen Spritgeldmangels fuhr Onno nur noch, wenn dringend nötig; zuletzt sechs, acht Tage zuvor. (Zum TT holte ich ihn ab und brachte ihn auch wieder nach Haus.)
    Letztlich fiel ihm denn doch noch ein, daß er auf einem ungewohnten Platz an der Gärtnerstraße geparkt hatte, um den Lack nicht in noch höherem Maße dem zähen Knospensaft der im nächsten Umkreis der Wohnung verbreiteten Lindenkronen auszusetzen. War bereits klebrig genug. Und abgesehen davon, daß Autowäsche Geld kostete, verkaufte ihm ohnehin keine Tankstelle ein entsprechendes Ticket. Weil sein Ford Ka einen Gepäckträger auf dem Dache trug, der womöglich teuren Schaden an der Waschstraße anrichtete. Und abmontiert bekam Onno ihn nur höchst mühsam, weil die Schrauben vom Lindensaft so verklebt waren.
    »Für welches Gepäck«, fragte ich ihn, »brauchst du eigentlich einen Gepäckträger.«
    »Tjorp … hm.« Wie auch immer, mit Bedacht hatte Onno einen baumfreien Parkplatz gewählt. Freilich unter einer Bogenlaterne, die im Verlauf jener sechs, acht regenfreien, sonnigen Frühfrühlingstage schätzungsweise dreieinhalbtausend Scheißegeiern als Plumpsklo gedient hatte.
    Der ganze blaue Kleinwagen voller Appetitsilt. (Wieder mal. Als erstmals EP ihn zu Gesicht bekommen, hatte der beeindruckt die Unterlippe geschürzt: »Auha, ein Erlkönig? Der neue Ford Guano?«)
    Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Onno sich vor dem ganzen Schlamassel aufgebaut, die Fäuste in die Taille gestemmt und »Ach, du liebes bißchen!« geschimpft hatte. (Fluchte Onno nach innen stumm, aber dreckig, so nach außen wie eine Nonne.) Schwarz-weiße Flecken auf dem Dach wie Yin-Yang-Symbole, auf dem schrägen Frontfenster eher syltförmig. Vorsichtig versuchte Onno die Tür zu öffnen, vergeblich; da alles so klebrig war, riß er die Hälfte des Rahmengummis mit raus. Bei der Gelegenheit entfernte er ein laminiertes Kärtchen, mit dem die Firma Balkan Export den Aufkauf von Onnos Auto

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