Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)
auf … seine Frau, die … beim Friseur war. Oder sonst was. Ging Miss Marple gar nichts an.
Schließlich beschloß Onno, Feierabend zu machen, schon allein wegen Harndrangs, ja – drucks. Zwar verfügte er über die fassungsvermögendste Blase der Onnogenese. Bionisches Modell: Schlange schluckt Hängebauchschwein. Aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung im Pilslenzen und Hocken, verquickt mit Faulheit, hatte Onno sein Urothel auf potentielles Fäßchenmaß trainiert. Humpen um Humpen saß er aus. Der Helmut Kohl des Harnverhalts. (Superkraft No. 4?) Der Physik des sprichwörtlichen Überlauftropfens aber hatte selbst er nichts entgegenzusetzen.
Seit sich ahnungsweise die Dämmerung ankündigte, hatte er übrigens darüber nachgedöst, wie Privatdetektive ihre Fotos wohl nachts schossen. Gab es Kameras, die ohne Blitzlicht funktionierten? Mit Infrarot? Oder Infragrün wie bei Das Schweigen der Lämmer , oder wie im Irak-Krieg? Oder mußte man halt von so weit entfernt observieren, daß der Blitz nicht auffiele? Reichte aber das Tele weiter als der Blitz? Und zwar im Dunkeln?
Onno nahm sich entsprechende Recherche vor. Dann sprach er, nicht ohne ein verlegenes Grinsen wegen der Attitüde, ins Diktaphon: »19:43 Uhr. ZF noch nicht aufgetaucht. Abbruch der Observation.« ZF = Zielfahrzeug (vgl. Internet). Dabei war es sowohl nach seiner Armband- als auch nach der ovalen Uhr in der Armaturenblende bereits 19:45 Uhr, doch wirkte 19:43 Uhr seiner Ansicht nach glaubwürdiger. Wechselte auf den Fahrersitz, winkte Miss Marple zu und setzte rückwärts aus der Parklücke. Es näherte sich bereits der nächste Verkehrsteilnehmer, rechts blinkend. Könnte, sagte sich Onnos Unterbewußtsein, ein arctissilberner Boxster Spyder sein. Beim Zurücksetzen schaute Onno durch sein verdrecktes Rückfensterchen. Was da rechts blinkte, war ein arctissilberner Boxster Spyder. Onno entzifferte dessen Kfz-Kennzeichen. HH – Q 69.
»Ach du meine Güte«, murmelte Onno halb geduckt, halb grinsend. »Na ja.«
Hinterm Steuer saß eine burschikose junge Frau. Die fliegenpilzgemusterte Ballonmütze barg offenbar ihr Haar. Das Handy am Ohr, schien sie unhörbar und unaufhörlich zu schwatzen – und lächelte jetzt: ja, schiefe Eckzähne.
Onno, nach wie vor schielend, zögerte eine Sekunde, fuhr dann aber unter dem gummierten Prasseln des Kopfsteinpflasters davon. Was sollte er machen. Im Rückspiegel sah er, wie sie in seine Parklücke einbog, und das nächste Auto klebte bereits an seiner Stoßstange.
»Herrjemine«, fluchte er grinsend, für seine Verhältnisse aufgeregt. Aufgeregt, weil ›es‹ funktionierte. Was auch immer, aber irgendwie funktionierte es. Sein Phlegmatikerherzchen schlug höher. War das da tatsächlich jene Fiona Popo aus dem Fernsehen? Ja. Das da war wahrscheinlich tatsächlich Fiona Popo. Sein und Eddas Popöchen. Letztjähriger Saisonliebling.
Herrjemine, er könnte irgendwo – was nicht einfach wäre – einen neuen Parkplatz zu finden versuchen, irgendwo unauffällig Wasser lassen, weiterhin hungern und dürsten und dann erneut den Hauseingang observieren, irgendwie. Ob jemand sie besuchte.
Blödsinn. Woher soll er wissen, ob ein Besucher sie besucht. Und wenn sie abgeholt wird? In einer Stunde wird’s dunkel. Und Fotografieren geht halt nicht, im Dunkeln, ohne auf sich aufmerksam zu machen – womöglich ›verbrennt‹ er bzw. ›platzt auf‹, wie es im Schnüfflerjargon heißt (vgl. Internet). Muß halt erst mal recherchiert werden.
Im Seitenspiegel sah Onno, wie die Gestalt mit der Ballonmütze dahinten die Straße querte und ins Haus Nummer 10 ging.
Na schön. Es war grad mal der erste und noch nicht aller Tage Abend. Und inzwischen mußte er befürchten, daß sein knurrender Magen auffälliger wäre als ein Blitzlichtblitz. Außerdem vermochte Onno ums Verrecken nicht das Gefühl abzuwehren, seit langer Zeit endlich mal wieder Feierabend zu haben. (Denn das war bekanntlich das schlimmste an der Arbeitslosigkeit: nie mehr Feierabend.)
[9]
Mittwoch, der 21. April. 08:01 Uhr. (Noch neun Tage bis Ultimo Fiskus.) Parklücke Froindstraße 17. Strahlend sonniges Wetter, um die 19 Grad bereits. Der Boxster stand zwei Autos weiter oben – immer noch dort, wo er am Vorabend eingeparkt worden war.
Onno wechselte auf den Beifahrersitz und entnahm seinem Rucksack das daheim improvisierte Observationsequipment. Den Plastiktrichter deponierte er unter dem Fahrersitz. Auf die Fußmatte davor stellte
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