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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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dunkles Haar, geschoren, doch frisiert. Augen wie Sonnenfinsternisse. Hohe, breite Jochbeine, hagere Wangen (in der linken ein Narben-Y). Prominenter Nasenrücken, volle Lippen, Gebiß wie aus Speckstein – ein Schneidezahn allerdings nur noch drei Viertel. Garantiert kein Glaskinn, o nein. Der onyxfarbene Anzug sorgfältig auf den menhirhaften Leib geschneidert. Das Sakko – fallende Revers – offen, darunter ein T-Shirt im dämmerungsverfälschten Violett einer klaren Amethystfacette. Es lag eng an, aber nicht hauteng: klar gezeichnet maskuliner Muskelbusen, Bauchrippeln nur angedeutet.
    Ohne Onno wahrzunehmen – hoffentlich; beschwören mochte Onno das aus den Augenwinkeln nicht –, wechselte der Hüne die Blickrichtung. Die Art, wie er das Handy ans Ohr hielt, hatte etwas Dandyhaftes. Kleiner Finger stand ab. Paßte nicht mehr mit drauf. Doch keinerlei Klunker, keinerlei Rolex. Als er sich mit einem Krebsschritt der Beifahrertür näherte, verschwand sein Kopf aus Onnos Schielfeld. Athletischer Hals mit stabilen Flechsen und Aderzweigen. Wie ein Baumstumpf wuchs er aus der Mulde, die Schlüsselbeine, Trapezmuskeln und Jackettkragen formten. (Keinerlei Kettchen o.   ä.) Noch einen Schritt näher, und Onno hätte dem Kerl durchs heruntergelassene Fenster einen Knallfrosch in die Tasche stecken können.
    »Ach da!« rief er. »Ja, dann … (unverständlich, weil abrupt zur Seite gedreht. Wieder zurück:) Oder was.«
    Könnte für einen Türsteher gelten oder Leibwächter, wäre da nicht der unbändige Unwille spürbar, je ins zweite Glied zurückzutreten. Wohl aufgrund der großwildhaften Souveränität, mit der er das Trottoir genutzt hatte, ohne sich um mögliche Kollisionen mit Kuckucksauern zu bekümmern. Sie waren ihm schwarmartig ausgewichen wie einem Hai.
    Jetzt entließ er ein Knurren, ein rauhes Seufzen. Onno verstand ein abfälliges »Paparazzi, Paparazzi«. Dann drehte er auf dem Absatz der maßgefertigten Elbkähne aus geächtetem Leder. Tat zweieinhalb Schritte. Ein Wink in den Krawall von Eye Of The Tiger. Jemand mit hellgrauer Kapuze erschien im Garten, ein zwölf-, dreizehnjähriger Junge. Wie die Wachsamkeit in seinem steilen Blick widerspiegelte, bekam er eine Anordnung. Der Hüne: gestenlos, den Nacken kaum gebeugt, jochbreites Kreuz. Der Junge verschwand wieder in der Kneipe. Der Hüne drang, Geschmeidigkeit erzwingend, diagonal durch den Passantenfluß. Poussierte nebenbei einen blind ausgescherten Backfisch mit Asi-Palme, der ihn gerammt hatte. Selbst sein Lächeln war muskulös, doch mit Charme korrigierten Y-Narbe und Dreiviertelzahn allzu arg drohende Wäschemodelhaftigkeit. Und er stieg in den Fond des Taxis, wo Fiona sich ihm wild an den Hals warf.
    [12]
    Besinnungslos langte Onno nach meiner Nikon. Cool war er ja, und cool genug für die reine Aktion wäre er auch gewesen. Und doch schoß er kein Foto. Angst? Skrupel? Der Wunsch, die Zukunft durch Zurückhaltung parapsychologisch zu bannen? Wann immer ich ihn später fragte, die Antwort gelangte über den üblichen Viets’schen Njorpismus nicht hinaus.
    Davon abgesehen, wäre das Foto wahrscheinlich ohnehin nichts geworden, durch die Frontscheibe von Onnos Ford, durch die reflektierende Heck- und Frontscheibe des SUV und die reflektierende Heckscheibe des Taxis. Und selbst falls technisch sauber, würde es kaum dafür ausgereicht haben, das wüst um sich beißende, ungleiche Ringerpärchen in ihren Identitäten zweifelsfrei zu fixieren. Zumindest Fiona in ihrer Verkleidung hätte ebensogut jemand anders sein können. An seinem inneren Ohr hörte Onno bereits Queckenborns Kritik: »Wenn ich Fiona was nachweisen will, muß ich nachweisen, daß sie das überhaupt ist.«
    Zwischen zwei Zungenschlägen hatte man offenbar dem Taxifahrer Weisung erteilt. Links anblinkend, bog er wieder auf die Reeperbahn ein. Onno hoffte auf ein oder zwei Autos Puffer. Kamen aber keine. Darf nicht wahr sein. Onno harrte. Kalkulierte eiskalt, daß der Chauffeur die nächstgelegene grüne Ampel, dürfte die vor der Hein-Hoyer-Straße sein, nicht schaffen würde. Und ver kalkulierte sich eiskalt. »Ach du liebes Lieschen.«
    Die Reeperbahn war ampelphasenbedingt immer noch frei, und Onno fuhr los. Casino Royal Spielsalon. Tutti frutti. Hotel Monopol. Herzblut St. Pauli. McDonald’s. Haspa. Showcenter 66 Table dance. Er schaffte die Ampel nicht mehr. »Määänsch…« Fack . Aus der Hein-Hoyer-Straße strömte Verkehr ein. Das Taxi verschwand aus

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