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Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition)

Titel: Onno Viets und der Irre vom Kiez (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schulz
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hellhäutiger heimleuchtet, spiegelgleich verwurzelt in roten Stilettos, lockend mit halterlosen Nylons. Über jedem zweidimensionalen Knie hängt eine dreidimensionale Laterne, noch aus. Und der Schoß die Tür. Schwarz. Zu. Des Rubens von der Reeperbahn Erwin Ross weltberühmtes Triptychon.
    Darüber das Neonbanner einer Brauerei, kurioserweise einer bayerischen – und das Namensschild:
        
    Achtundzwanzig Schritt; siebenundzwanzig; sechsundzwanzig … Scharren mit Hall. Meter für Meter wurde die Nikon sperriger.
    Unterm überbrückenden Gebäude hervor in den himmeloffenen Hof. Das kiezspezifische Dauergeräusch von der Reeperbahn her schallte dumpfer; stumpfer Onnos Tritt auf dem Betonpflaster.
    Wie viele schwere Jungs haben dieses Pflaster geschliffen? Auf dem Weg zu ihren Geschäften und Gelagen? Ins berüchtigte Hinterzimmer, wo der Schmuckhändler regelmäßig seine Rolexe und Blingbling anbot? Oder in den öffentlichen Kneipenteil, wo anno 1980 Chinesen-Fritz vom Hocker geschossen wurde? Oder in den Boxkeller, in dem Dariusz Michalczewski und Graciano Rocchigiani auf Säcke und Köpfe eindroschen und Max Schmeling aus seiner Biographie las? Heimat so vieler Kiezgrößen.
    Neun Schritt. Acht Schritt. Sieben. Plötzlich, gänzlich aus nächtlichem Himmel, ein Moment von großer Ruhe. Zwanzig Jahre, fünfundzwanzig? Wie lang genau mochte es her sein, daß Onno hier letztmals den Absacker genommen hatte? In die Ritze ging man, wenn sich die Scheu vor engen Menschenmengen in ein Bedürfnis verkehrt hatte. Auch wir. In unserer wilden Zeit, als Onno designierter Pleitekneipier, dann Versicherungsvertreter und schließlich Student der Sozialpädagogik war, der schöne Raimund noch gar nicht bzw. mehrfach liiert und ich nicht mal Referendar. Vom Chikago in die Ritze , von der Ritze ins Lehmitz , vom Lehmitz ins Bett. Das war die Route und Routine.
    Vier Schritt. Drei Schritt. Bevor er den vorletzten machte, blinzelte Onno, und exakt in dem Moment fetzt die Tür den Stopper weg, kracht gegen die Wand und läßt die Laterne platzen. Die Bö scheucht Onnos Tolle auf. Noch bevor sie sich wieder legt, rammt ein Handballen seine rechte Armbrustgegend. Onno dreht eineinviertel Schrauben und prallt, gedankenschnell den Schädel bergend, mit dem Buckel gegen die Seitenmauer. Geht, im Feuer der Nervenenden, zu Boden. Stöhnt. Starrt.
    Ohne auch nur einen Seiten blick zu verschwenden, verschwindet mit Meilenschritten der Goliath – granitharte Absätze, scheinbar gerade mal siebenmal verhallend –, das Sakkokreuz breit wie ein Wendehammer. Aus Onnos Perspektive scheint’s, als zwänge er sich durch die Durchfahrt. Hinterläßt eine merkwürdige Geruchsmischung. Feuchtes Waldholz, Kabelbrand.
    Erneute Sturzgeburt aus der offenen Ritze . Fiona Popo. Passiert Onno, ebenfalls, ohne ihn auch nur wahrzunehmen in seinem toten Winkel. Verzweifelt stöckelnd im Sog des Hünen. Onno riecht und spürt ein Pheromon-Taifünchen, hört, wie sie scharf schluchzt, doch mit einem Knacklaut abwürgt – kein Name, kein Kosename, kein Lockruf. Nur ein Greinen herauspreßt. Lava der Lust versiegelt die Quellen der Qual. Wenn das nun endlich doch noch reichlich aufgequirlte Adrenalin Onnos Sinne nicht verkleistert hat.
    Unter Schock sah Onno vom kalten Boden aus zu, wie sie im Portalausschnitt des illuminierten Reeperbahntrubels verschwand, dem Hünen nach, Richtung Große Freiheit. Natürlich war sie viel kleiner als im Fernsehen.
    [13]
    Als nächstes nahm Onno einen hamburgischen Urbaß wahr, aus den Tiefen der Ritze . Und während er ihn wahrnahm, fiel ihm auf, daß er ihn auch vorher schon wahrgenommen hatte. »Alles klaa. Alles klaa . Ganz ruich . Ganz ruich. Krankenwagen ist unterwegs.« Es war alles ganz ruhig, unfaßlich ruhig. Allenfalls ein Raunen drang da heraus.
    Ächzend, und obzwar kein Mensch in Hörnähe war, diskret ächzend, rappelte Onno sich auf. Ritzte versehentlich den rechten Handballen an einer Laternenscherbe. Nicht tief genug, um zu bluten. Atmete tief ein und aus. Tastete Brust und Schulter ab. Dehnte vorsichtig das Kreuz. Alle drei Regionen schmerzten weitflächig, aber die lokal brummende Taubheit eines Knochenbruchs meinte Onno nicht zu verspüren. Den Großteil der Karambolage-Energie hatte offenbar die Pirouette abgebaut.
    Meine Nikon lag am Schattenrand des Durchgangs. War am Riemen von Onnos Schulter geschleudert. Mißlungener Hammerwurf. Onno stakste die sieben, acht Schritte und hob sie auf. Mit

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